Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
lächelte gequält. » Mein Ort? Mein Sehnen? Immer die andere Seite des Berges. Die Oikumene. Der Rand der Welt. Vielleicht muß ich alle Orte sehen.«
» Dann mußt du alle Menschen werden.«
16 .
Die Klingen von Aigai
Dymas probte mit anderen Musikern– Tekhnef, ein Tympanist, eine Meisterin auf der Harfe, ein zweiter Kitharist, eine Sängerin– für die ungewöhnlichste Musiktruppe der Oikumene, als ein Bote ihn zu sprechen verlangte. Ein Hellene aus Asien, ohne Zweifel, aber das war nicht ungewöhnlich– die Frau mit der Harfe stammte aus Halikarnassos.
» Was willst du?« sagte Dymas unwirsch, als er dem Mann ins Freie gefolgt war.
» Eine Empfehlung von Bagoas.«
» Hah.«
» Er erwartet dich im Piräus. Ich soll dich an dies und jenes erinnern, wenn du keine Lust haben solltest. An eine Nacht in Ägypten, zum Beispiel.«
Wortlos stieg Dymas auf den Wagen, nachdem er den anderen ungenau Bescheid gesagt hatte. Das Gefährt, von zwei Pferden gezogen, brachte sie zum Piräus, zum Hafen, zum Kai. Dort stiegen sie in ein Ruderboot, das von vier stummen Sklaven zu einem prachtvollen Segler gesteuert wurde, der mehrere Stadien vom Kai entfernt mit einem Treibanker auf der Reede lag.
Bagoas war nicht fett, aber fülliger geworden. Dymas schwieg, bis der Perser ihm Wein eingeschenkt hatte. Sie saßen allein auf dem Achterdeck, auf seidebespannten Sitzen, unter einem golddurchwirkten Leinendach.
» Du wirst dich fragen.« Bagoas sprach nicht weiter.
Dymas grunzte. » Nein.«
Bagoas lächelte dünn. » Deine Mitarbeit hat nachgelassen, Musiker.«
Dymas nickte. » So ist es. Ich habe mich von alledem getrennt. Keine Berichte mehr– weder für Hamilkar noch für Demaratos noch für dich.«
» Das stimmt nicht.« Bagoas strich sich den Bart. » Du berichtest, wenn du magst; du berichtest nur nicht mehr als Befehlsempfänger– oder gegen Geld.«
» Dann sagen wir: Ich mag nicht mehr– für dich jedenfalls nicht.«
» Wegen Kanopos?«
Dymas starrte auf seine Fingerspitzen. Die Abdrücke der engen Metallkuppen waren gut zu sehen; vor einer Stunde hatte er noch die Kithara gehalten. » Nein, nicht wegen Kanopos, Perser. Was dort geschehen ist, war grausam, aber alle Mächte sind grausam, wenn es ihnen sinnvoll erscheint. Ich zweifle nicht daran, daß auch die Hellenen oder Karchedonier die alte Frau und die anderen getötet hätten, wenn es für sie nötig gewesen wäre. Die Art, in der es geschehen ist, nicht die Tatsache des Tötens…«
Bagoas verzog keine Miene. » Zu deinem Glück weiß ich, daß du treu bist. Du hast außer zu denen, die es ohnehin wissen, nie über unsere Verbindung gesprochen. Wenn es anders wäre, hätte ich dich längst töten lassen.«
» Was willst du? Warum holst du mich her?«
Bagoas beugte sich vor. » Zweierlei. Ich will, daß du ohne Auftrag gelegentlich Dinge bemerkst und berichtest, wenn dir danach zumute ist. Sagen wir, jedes Jahr einmal. Oder öfter– wenn dir danach zumute ist. Ansonsten bist du frei, kannst gehen wohin du willst, ohne Sorge um persische Messer.«
» Ich werde es mir überlegen.« Dymas knurrte eher, als daß er sprach. » Das war alles?«
» Nein. Zwei Dinge. Wichtige Dinge, die ich im Augenblick keinem anderen anvertrauen kann. Sie sind der Preis für deine unbedrohte Freiheit.«
Dymas zog die Nase hoch und spuckte aus. » Was ist es?«
Bagoas lächelte, noch dünner als zuvor. » In einer Stunde wird ein Geschäftsfreund an Bord kommen. Ich werde hier, an dieser Stelle, mit ihm gewisse Dinge bereden. Du wirst unter Deck sitzen und lauschen. Dann wirst du aufbrechen, um das, was du gehört hast, Demaratos zu berichten. Er ist noch nicht, aber bald in Aigai.«
Dymas hob die Hände und ließ sie wieder sinken. » Aigai! Oihr Götter! Was soll ich in Makedonien!«
» Berichten. Einem anderen würde er nicht glauben. Und einem anderen kann ich diese Sache nicht anvertrauen.«
» Was ist das für ein seltsames Spiel– Bagoas der Heile verrät einem Korinther in Makedonien, was er mit einem Athener zu bereden hat?«
Bagoas runzelte die Stirn. » Es ergibt sich eben manchmal, daß bestimmte Ziele nur auf Umwegen anzusteuern sind. Frag nicht nach den Zielen, du wirst nichts erfahren.« Er starrte in Dymas’ Augen. » Dein Leben, Musiker, und das von Tekhnef.«
Dymas schwieg lange Momente. Schließlich sagte er, mit heiserer Stimme: » Gut. Zum letzten Mal, Perser. Aber sag mir etwas anderes– etwas, das mich seit Kanopos
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