Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
beschäftigt.«
» Was ist es?«
» Die alte Frau, Kleonike. Sie hatte ein Amulett. Deine Leute haben es ihr in den Leib gebrannt. So, wie sie es getragen hat, schien es viel zu bedeuten.«
Bagoas lachte. Er beugte sich vor und malte mit weinfeuchtem Finger ein ankh auf die Elfenbeinplatte des Tischs, dann in die Schlaufe das Auge des Horos. » Dies?«
» Dieses, Bagoas.«
» Leben und Logos, Musiker. Es ist das Zeichen einer Gruppe von Leuten. Vieler Leute, die Persiens Herrschaft beenden wollen. Leben und klaren Verstand und die alten Götter, so etwa, und Freiheit vom Joch der Großkönige.«
» Wer gehört dazu? Nur Ägypter?«
» Sie haben ein ägyptisches Zeichen genommen, weil es bestimmte Inhalte hat, und Ähnlichkeit mit anderen. Wenn du die Augen zusammenkneifst, bis das ankh verschwimmt, erhältst du das Zeichen der Tanit– Göttin der Tyrer und Karchedonier. Wenn du, mit zusammengekniffenen Augen, auf das Zeichen des Horos schaust, bildet es mit dem ankh ein Zeichen in der keilförmigen Schrift Babylons. Das Zeichen für Gott.«
» Sie sind also deine Gegner?«
Bagoas nickte. » So etwa.– Trink aus und geh unter Deck, Musiker. Such dir eine bequeme Lage.«
Dymas lauschte. Er war nicht besonders verblüfft, als er die Stimme des Atheners hörte, die jeder kannte: die Stimme von Demosthenes. Er verheimlichte dem Perser etwas; Bagoas spürte es auch, konnte die Zurückhaltung des Redners jedoch nicht überwinden. Was Demosthenes zu sagen hatte, war allerdings wichtig genug: Attalos, Onkel der makedonischen Königin, einer der wichtigsten Fürsten, zur Zeit in Asien als Stellvertreter des Strategen Parmenion, war bereit, beim Tod Philipps Parmenion und andere Offiziere ermorden zu lassen und Philipps Neffen Amyntas auf den Thron zu heben. Makedonien würde gegen persisches Gold und politische Zusicherungen Athens den Bund von Korinth auflösen, sich aus Mittelhellas und Asien zurückziehen und Friedensverträge für die Ewigkeit schließen.
Auf dem langen Weg nach Norden, ohne Tekhnef, grübelte Dymas immer wieder, welches Spiel Bagoas spielen mochte. Welche Rolle Demaratos hatte. Was Demosthenes warum für sich behielt. Und was man in Aigai mit der Mitteilung anfangen konnte.
Er fand Demaratos erst nach langem Suchen; Aigai und Umgebung waren übervoll von Gästen, die der Hochzeit des Epeiroters Alexandros mit Philipps Tochter beiwohnen wollten.
Der Korinther hörte sich alles an. Er schien sehr nachdenklich. Schließlich sagte Dymas:
» Ich weiß nicht, um was es bei diesem verdeckten Spiel geht, aber kannst du etwas damit anfangen?«
Demaratos kaute auf der Unterlippe. » Sei froh, daß du nicht mehr weißt, Dymas; du wärst innerhalb weniger Stunden tot, trotz aller Versicherungen des Persers. Ja, ich kann etwas damit anfangen; nein, ich weiß nicht, was es soll. Es ist eine Warnung– offenbar will jemand Philipp töten, vielleicht hier, heute, morgen. Jemand, der mit Attalos in Verbindung steht. Demosthenes hat etwas verborgen, sagst du? Vielleicht weiß er, wer den Mord begehen soll. Ich frage mich nur, warum Bagoas uns das wissen läßt. Es wäre doch gut für Persien… Ich will sehen, was ich tun kann. Vielleicht sollten morgen im Theater alle ohne Waffen sein.«
Dymas hob die Brauen. » Kannst du das bewirken? Wer bist du?«
Demaratos lächelte. » Ein korinthischer Händler mit Beziehungen. Ich danke dir.«
Manchmal fühlte sie sich alt. Eine alte Frau, die bald vierzig sein würde. Sie lächelte, als sie an die vergangene Nacht dachte, an den kräftigen Ambrakier, an die Jugend. Langsam watete sie ins flache Uferwasser des Pambotis-Sees, tauchte ein und schwamm. Das Alter glitt von ihr, blieb zurück in den Kräuselwellen. Sie drehte sich auf den Rücken, ließ sich treiben.
Es war ein warmer, windstiller, klarer Tag. Der Gipfel des hohen Tomaros, den die Molosser Tmaros nannten und den oft Wolken verbargen, war deutlich zu sehen. Olympias schloß einen Moment die Augen und breitete die Arme aus, wie einer der Adler des Zeus, dem der Gipfel geheiligt war. Sie flog auf dem Wasser.
Verjüngt und erfrischt stieg sie wieder an Land. Die stumme Thrakerin, alt und faltig geworden, half ihr beim Abtrocknen und reichte ihr die Gewänder. Sie durchquerten den schmalen Schilfgürtel, gingen über die Bohlen des erhöhten Wegs durch den Ufersumpf und zurück in den Ort. Olympias hatte begonnen, Dodona zu hassen. Aber an diesem Morgen liebte sie alles: die Straßen mit den tanzenden,
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