Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Aber Theorien sind nicht nahrhaft, wenn die Ernten geplündert werden.«
Er erzählte von der Aufrüstung Olynths durch Athen, die sich zunächst gegen Amphipolis richtete. Aber wenn die Stadt am Strymon fiele, wären Makedoniens Ostgrenzen nackt, offen für Thraker– und Athener. Perdikkas schickte daraufhin Truppen unter Antipatros nach Amphipolis, um die Stadt zu schützen und Freundschaften zu schließen. Parmenion und Philipp ritten gleichzeitig nach Thessalien, um alte Bündnisse und Freundschaften zu erneuern und thessalische Reiter anzuwerben. Während sie unterwegs waren, regten sich im Nordwesten die Illyrer unter ihrem König Bardylis und fielen in Obermakedonien ein. Mit den wenigen verfügbaren Kämpfern, ohne Antipatros, Philipp und Parmenion, zog Perdikkas ins Feld.
» Ohne Rücksicht auf Gelände, Wetter und Truppenstärken; Bardylis hat ihn ins Messer laufen lassen. Perdikkas und viertausend Mann sind gefallen. Es waren viele alte Freunde dabei.« Parmenion schwieg einen Moment.
» Und ich dachte, oben im Norden wäre mehr los«, sagte Aristoteles leise.
Parmenion stieß eine Art Gelächter aus. » Man kann sich irren, Junge. Wir sind– Philipp und ich– aus Thessalien heimgerast; ich weiß nicht mehr, wie viele Pferde dabei draufgegangen sind. In Pella waren die Lynkesten gerade dabei, den Thron abzustauben, damit Eurydike sich als Sachwalterin ihres Enkels darauf setzen kann.« Er lachte heiser; Aristoteles versuchte, mit der flachen Hand die Nackenhaare niederzustreichen, die sich aufgerichtet hatten.
» Es war ein würdiges Stück«, sagte Parmenion durch die Zähne. » Euripides hätte es nicht besser schreiben können. Wir hatten einen Schnellruderer mit einer Botschaft an Antipatros geschickt, aber der war schon selbst auf den Gedanken gekommen, daß es Wichtigeres gab als Amphipolis. Ein Teil seiner Truppen stand kurz vor Pella, alle sehr unentschlossen. Philipp und ich, wir hatten am Olymp ein wenig gerastet, bis wir wußten, wie die Dinge standen. Dann sind wir nach Pella. Philipp holt sich um die tausend Mann, die zuverlässigsten, von Antipatros und zieht mit ihnen in die Stadt. Er ist der Bruder von Perdikkas– wer soll es ihm verbieten? Da haben wir uns getroffen– ich hatte auch noch einige hundert Kämpfer aus meiner Heimat aufgetrieben. Wir kommen in die Burg; alles wimmelt von Lynkesten. Die alte tückische Spinne hockt neben dem Thron, auf den sie den kleinen Amyntas gesetzt hat, gerade drei Jahre alt. Wie sie Philipp sieht, strahlt sie ihn mit ihrem zahnlosen Maul an. › O mein geliebter jüngster Sohn‹, sagt sie. › Wie fürsorglich, so schnell zum Schutz deines Neffen und deiner alten Mutter zu eilen.‹ Philipp schaut sich um, nickt langsam, und ich sage dir, in diesem Moment hab ich gedacht, er läßt sich einwickeln, trotz allem, was wir beredet haben. Er ist ja kaum fünfundzwanzig, und man weiß nie… Nun ja. Er sieht sich um, sieht, daß unsere Leute die Wände und Ausgänge besetzen, dann deutet er auf den ältesten der Lynkesten, Aigisthos, und sagt: ›Ehrwürdiger Onkel, dein Schwert.‹ Dabei gibt er mir ein Zeichen. Ich geh hin und nehm dem alten Wolf das Schwert ab. Philipp streckt die Hand danach aus, dann sagt er zu Perdikkas’ Witwe: › Bring den Jungen weg. Ich bin sein Vormund.‹ Das geht alles ganz schnell. Eurydike zetert irgendwas, und er läßt sie reden, bis der Kleine weggebracht ist. Dann sagt er mit seiner dicken, schwarzen Stimme, daß der ganze Saal dröhnt: › Wir wollen ein paar alte Dinge beenden und ein paar neue beginnen, meine Freunde.‹ Er geht zu seiner Mutter, lächelt noch einmal und rammt ihr das Schwert in den Leib.«
Aristoteles pfiff leise. » Eine feine Szene. Was haben die anderen gemacht?«
» Nichts.« Parmenion setzte ein schräges Grinsen auf, das sofort seitlich wegrutschte. » Dafür habe ich gesorgt. Wenn es darum geht, unangebrachtes Gezeter zu beenden, wirkt der Anblick von hundert Sarissen Wunder. Aber damit war ja zuerst noch nichts gewonnen. Philipp kann vorübergehend als Vormund herrschen, bis die unmittelbare Gefahr beseitigt ist. Irgendwann muß er sich der Versammlung der Fürsten und Gefährten stellen, die den König wählt. Das hat aber Zeit. Die alte Hündin war endlich tot; wir hatten die wichtigsten Lynkesten und ein paar andere Fürsten in Pella, unter Aufsicht. Aber im Nordwesten hockte Bardylis, mitten in unserem Land. Von Norden kamen die Paionen mit ihrem König Agis, immer schön den
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