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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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in seinen Stücken die Namen der Götter neu verwendet, als Bild oder Schlüssel für menschliche Geisteszustände. Ich glaube, daß die Götter genau das sind– Bilder, die wir erdacht haben, um unseren Ängsten und Zweifeln und Hoffnungen Gestalt geben zu können. Aber das ist für dich und mich und ein, zwei andere. Für das Heer werden wir so tun, als ob wir an die Götter und die Notwendigkeit dieser Opferhandlungen glaubten.«
    Aristandros blickte ihn nachdenklich an. » Was immer du sagst, Alexander, König, Herr. Aber du weißt so gut wie ich, daß du tatsächlich glaubst…«
    Alexander unterbrach ihn scharf. » Was immer ich glaube, zählt jetzt nicht. Noch weniger Bedeutung hat das, was du über meinen Glauben zu wissen meinst. Ich glaube, daß es vielleicht einen Gott gibt, vielleicht den Unbekannten Gott der athenischen Altäre, der all die anderen beherrscht und leitet und bindet. Einen Gott, vielleicht den geheiligten Geist der Perser, der sich nicht aufführt wie ein Räuber und Mörder aus den illyrischen Bergen. Einen Gott, der Wärme und Wissen und Liebe und rechter Sinn ist. Aber– was zählt, ist das Heer. Die Männer. Sie sind nichts ohne Führung, ich bin nichts ohne sie. Sie glauben an Zeus, den Häuptling aller Wegelagerer, und an all die anderen. Ich sage nicht, daß ich überzeugt wäre, all dies sei Unfug. Vielleicht ist etwas daran; vielleicht sind all diese Wegelagerer und Mutterschänder zusammen der Eine Gott, den ich suche. Deshalb will ich nicht nur den Schein wahren; du und ich, wir werden die Gebräuche achten und Opfer darbringen und um Rat und Leitung bitten und die Orakel befragen. Das Heer muß sehen, daß wir glauben– oder daß wir wenigstens so tun, als ob.«
    Aristandros nickte wieder; seine Augen waren Schlitze. » Wozu erzählst du mir all diese Dinge, die ich doch weiß?«
    Alexander streckte die Hand aus und faßte den Umhang des Priesters an, mit Daumen und Zeigefinger. » Ich sage es dir, damit du das Wichtigste begreifst– das Allerwichtigste. Das Heer zählt; nicht dein Glaube oder mein Zweifel. Und ich führe das Heer. Du willst, daß ich nach Ägypten gehe; ich weiß es. Ich werde nach Ägypten gehen, und weiter, mit dem Heer, und du kommst mit. Aber«– nun zerrte er an Aristandros’ Umhang– » begreif eines, o höchst edler und wertvoller Seher und Priester Aristandros von Telmessos: Wenn ich ein Orakel will, gib mir den Spruch, den ich will– anders als eben bei der Leber. Wenn die Leber schlecht ist, wirst du sagen, sie sei gut– außer, ich befehle etwas anderes. Wenn du glaubst, die Götter seien gegen mich, wirst du dem Heer sagen, daß die Götter auf unserer Seite sind.«
    Aristandros schloß die Augen. » Aber ich muß den Göttern gehorchen…«
    Alexander grinste plötzlich, wie ein Junge. » Wenn ich das Gefäß des Ammon bin, bin ich ein Gott. Gehorch mir.«
    Nur Drakon war noch in der Nähe, als Alexander sich von Olympias verabschiedete. Bukephalos schnaubte und scharrte im Hof; die Diener warteten. Antipatros stand bei ihnen; er betrachtete den Abschied oben, auf der Treppe, mit einem undurchschaubaren Gesichtsausdruck.
    Sie umarmten einander, langsam, wie Liebende, und blieben einige Zeit eng aneinandergepreßt stehen. Olympias ergriff schließlich die Schultern ihres Sohns, schob ihn von sich, nahm ihn dann bei beiden Ohren und küßte ihn auf den Mund. Als sie sprach, war es, als ob sie die Worte in seinen Mund hauchen wollte, auf seine Zunge, in sein Innerstes.
    » Reite schnell und reite gut, mein Sohn. Unterwirf die Lande, mein Sohn. Ich will deinen Ruhm. Ich will deine Standbilder sehen, überall, neben den Altären von Zeus, der Ammon ist. Unterwirf die Lande, die Länder, die Berge und Wüsten und Menschen, mein Sohn. Und– schick mir Silber, schick mir Gold, schick mir Schmuck und Reichtümer, Sklaven und kostbare Tücher und Duftstoffe. Die Mutter des größten Königs soll besser dastehen als irgendeine Bergfürstin, Sohn. Schick mir all die Reichtümer, die du findest, die dir zufallen, die dein sein werden. Ich kann sie gebrauchen– für mich, für dich, für das Königreich, wenn du zuläßt, daß ich Antipatros auf den Platz verweise, der ihm zukommt…«
    Alexander legte seine Hand auf ihre Lippen. Mit einem beinahe traurigen Lächeln sagte er: » So viel für dich, Mutter? Der Reichtum der ganzen Welt? Und was soll ich für mich behalten?«
    Olympias küßte die Innenseite seiner Hand. » Es ist nicht der Wille der

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