Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
ihrem Sohn machte, damit zum Thronerben, damit zum rechtmäßigen Mit-Herrscher ...
»Dies, Peukestas, hat mich entsetzt – nicht erst später, als es allen offensichtlich wurde, sondern sofort. Es war von Anfang an kein Feldzug, an dessen Ende der siegreiche Stratege und König heimkehren und bis an sein Ende glücklich leben würde; es war von allem Anfang an ein Feldzug zur Errichtung eines neuen, von Hellas und Makedonien losgelösten Reichs. Früher oder später, sagte ich mir damals, wird er, der die Verwaltungen der Satrapien übernimmt, auch einen besonders fähigen Satrapen übernehmen, einen Barbaren. Dann wird ein Perser, von Alexander eingesetzt, als Stellvertreter des hellenischen Bundesfeldherrn, als Stellvertreter des Königs der Makedonen, Hellenen und Makedonen Befehle erteilen dürfen – können – müssen. Und sie werden gehorchen, weil sie müssen. Hellas, Licht und Vernunft, entstand aus dem ewigen Krieg gegen barbarisches Dunkel. Mit ein paar makedonischen Kriegern, sagte ich mir, würde Alexander das unendliche Asien nicht halten können; früher oder später würde er in Heer und Verwaltung Barbaren einsetzen müssen, gleichberechtigt; und unter dem Mantel von Alexanders Friede würde das Dunkel, im Krieg immer zurückgeschlagen, Hellas überfluten. Und genau dies ...« Er tastete wieder nach dem Amulett; dann schloß er die Augen und ächzte. »Aber ich will nicht vorgreifen. Lies die nächste Rolle, Peukestas. Ptolemaios hat sie geschrieben, und dann Rollen von anderen. Lies, du Zeuge der Dinge, damit du weißt, daß Aristoteles nicht von den Entstellungen des Kallisthenes abhängig war.«
Endlich wieder Bewegung. Es war, als ob die Frühlingssonne nicht nur den Schnee, sondern auch die gefrorenen Energien des Heers auftaute. Mit der Schneeschmelze traten die Flüsse und Bäche über die Ufer; hier und da zeigte sich erstes Grün. In ein paar Tagen, längstens Wochen konnten die Pferde wieder grasen, mußten nicht mehr nur von Heu und Korn leben. Ptolemaios beschattete die Augen mit der Hand und spähte voraus; zwei Kundschafter ritten auf der Königsstraße. Die fast überall befestigte Strecke vom fernen Persepolis bis nach Sardeis lag hier, unweit von Gordion, an vielen Stellen im eisigen Schatten kleiner Bergfestungen. Sinnlos, gegen Gordion vorzurücken, ohne diese Burgen ausgeschaltet zu haben; ebenso sinnlos, sie im Winter anzugreifen. Aber nun waren mehrere Gruppen gemischter Einheiten aus den Winterlagern aufgebrochen; in den nächsten Tagen sollten die erwarteten Verstärkungen aus Makedonien eintreffen, dazu Nachrichten von Parmenion; nun endlich endete das verschneite Warten, das fröstelnde Zählen von Tagen und Nächten.
Alexander hatte ihm thessalische Reiter, Hetairen, Aufklärer, einen kleinen Belagerungstrupp und leichte Fußkämpfer unterstellt, Makedonen und Söldner, insgesamt fast 500 Mann. Zwei Dörfer mit Burgen hatten sie in den letzten Tagen erobert und besetzt, die Festungen zerstört; eine, die stärkste Burg blieb noch. Vor Morgengrauen waren die Kundschafter losgeritten; daß nur zwei zurückkehrten, war ein gutes Zeichen. Er wartete, bis sie ihn erreicht hatten.
»Die Wege sind frei, Herr.« Der Mann – ein Thraker – grinste flüchtig. »Wir haben drei Männer abgefangen. Einer war wohl nur zufällig unterwegs; die beiden anderen kamen von einem der Dörfer, gestern, und wollten die Leute warnen.«
»Gute Arbeit.« Ptolemaios nickte dem Unterführer zu, der neben ihm wartete. »Aufbruch.«
Zwei Stunden später überquerten sie die kleine Steinbrücke, die von den übrigen Kundschaftern gehalten wurde. Vor ihnen stieg der Weg in Windungen an, immer aufwärts, immer steiler. Ein Bergnest, mit Wällen und einer Burg; unbedeutend an sich, aber es konnte Perser aufnehmen, und von hier aus mochte ein kluger Führer immer wieder die Straße sperren, Nachschub und Nachrichtenübermittlung stören ...
Die Berge ringsum waren kahl; eine karge, schrundige Landschaft. Wovon mochten die Leute leben? Wahrscheinlich gab es jenseits des Kaffs ein fruchtbares Stück Hochebene, Viehweiden, Anbauflächen. Ptolemaios zuckte mit den Schultern und gab die letzten Befehle.
Seine Truppen rückten vor, verteilten sich unterhalb der Wälle, noch außer Reichweite von Steinen oder Pfeilen. Der Dekadarch, den er losgeschickt hatte, um die Leute zur Übergabe aufzufordern, kam vom Tor – einer scheußlichen Sache aus Hölzern, Metallfetzen und Bruchsteinsäulen –
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