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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Tarsos, als der genesene Alexander die geschmeidigen Geister seiner zehntausend Innenwesen tanzen und glitzern ließ wie einen vielfach geschliffenen Kristall – in einer immer wieder verzweigenden, immer wieder heimkehrenden Rede über Unsterblichkeiten und Todesnähen? Kallisthenes entschied sich dagegen; der Bericht über diesen unglaublichen Abend hätte das Eingeständnis enthalten müssen, daß der König stundenlang frei in makellosen Hexametern gesprochen und daß der feinsinnige Kallisthenes dies erst im nachhinein bemerkt hatte.
    Die ersten Trupps zogen durch den kleinen Paß; sie enthoben Kallisthenes der Notwendigkeit, weiter nutzlose Gedanken zu denken. Er stand auf, packte sein Schreibzeug und die sonstigen Dinge zusammen, holte das Pferd, das am jenseitigen Hang graste, und wartete.
    Alexander ritt an der Spitze der nächsten Gruppe; nicht weit von ihm waren Demaratos und Ptolemaios zu sehen. Der König warf einen Blick zu Kallisthenes hinüber.
    »Ah, hier treibst du dich herum. Hast du im Schatten der Felsen die flüchtigen Musen geschändet?«
    Seine Begleiter lachten. Kallisthenes zögerte einen Moment, um seine Antwort ebenfalls als Vers geben zu können.
    »Mit des Assyrers mächtigem Schatten hab ich geredet«, sagte er dann; er wies auf die hohe Gestalt. »Über das Strömen der Zeit, über die Kühnheit und Größe uralter Herrscher und über der heutigen Könige Zwergwuchs.«
    Niemand lachte. Bukephalos schnaubte und tänzelte auf der Stelle; Alexander tätschelte den Hals des Hengstes und grinste knapp.
    »Darob verschlug’s dem Assyrer die Sprache, er schweiget verbissen. Oder sagt er noch was? Was bedeuten die Zeichen da auf dem Sockel?«
    Kallisthenes räusperte sich. »Ein kundiger Mann hat sie mir übersetzt; sie beziehen sich auf vieles, unter anderem auf eine Gebärde, die der König mit den Fingern der Rechten gemacht hat.«
    Alexander blinzelte. »Was sagen die Zeichen?«
    Kallisthenes hob den Arm. »Dieses. ›Ich, Sardanapalos, erbaute an einem Tag Tarsos und Anchiale, an einem anderen zerstörte ich sechzehn Städte. Du, Spätergeborener – iß, trink und fick, der Rest wiegt nicht mehr als das‹, nämlich die Gebärde.«
    Das zunächst verhaltene Gelächter der Offiziere wurde immer lauter; Alexander lächelte und schaute hinaus aufs Meer. Dann hob er die Hand und grüßte Sardanapalos mit der gleichen Fingerbewegung.
    »Heil dir, betrüblich Verwester – meine Städte werden länger stehen als deine.« Er wandte sich an seine Begleiter. »Denkt bei Gelegenheit, etwa in Soloi, an seine Ratschläge, damit die von euch Gezeugten länger von uns reden als von ihm. Weiter!«

    Soloi wollte zunächst die Tore nicht öffnen, erhielt eine makedonische Besatzung und mußte 200 Talente zahlen. Während Alexander zehn Tage darauf verwandte, die Hügel und Berge nördlich der Stadt von persischen Streiftrupps und Wegelagerern zu säubern, kehrte Kallisthenes mit Demaratos und einigen anderen Beratern zurück nach Tarsos. Den alten Korinther zog es in den Hafen, am Unterlauf des Kydnos, nur wenige Parasangen von dessen Mündung ins Meer entfernt und für Seeschiffe nutzbar. Kallisthenes begleitete ihn, begab sich aber bald zurück ins Lager vor der Stadt.
    Demaratos spottete über den weitgereisten Hellenen, der in der Fremde nur Hellas suche, die Eigenarten anderer Länder und Leute aber nicht wahrnehmen wolle. Kallisthenes blieb einen Moment neben ihm stehen, vor der Hafenschänke; er betrachtete den eisigen Fluß, dessen Wasser der König zu gut geprüft hatte, sah die bärtigen Seeleute, die vertäuten Handelsschiffe, den Schmutz und Kot der Kaistraße, die fensterlose Seitenwand der Schänke aus Holz und Lehmziegeln, die Mischung von Menschen aus allen Gegenden Asiens.
    »Und was, bitte, ist daran bemerkenswert, o Demaratos?«
    Der Korinther setzte sich schnaufend auf einen Poller. Lastträger – sonnverbrannt, mit nackten Oberkörpern, gebeugt unter Säcken oder mit Ballen auf dem Kopf tänzelnd – zogen an ihnen vorüber. Vor der Schänke feilschte ein makedonischer Hoplit mit einer jungen Frau, die nur eine hellrote Schärpe um die Lenden und ein weißes Tuch um die Brüste trug. Die Nägel der Finger und Zehen waren schwarz gefärbt, Lippen und Lider grün; das Gesicht – bräunliches Zwielicht, seit Ewigkeiten vertraut wie die Nacht und erweckend wie der Morgen – barg wilde Lebensgier, die zerstören mußte, um nicht zerstört zu werden; all dies die gemurmelten Worte

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