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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Klinkergebäude nisteten, machten sich auf, um das Abendessen einzufangen. Sie flogen tief. Es würde Regen geben.
    Warum er ausgerechnet hier Unterschlupf gesucht hatte, hätte Marlon selbst nicht zu sagen gewusst. Irgendwo musste er schließlich hin. Sergejs Hütte war zu unsicher geworden. Marcus würde dort nach ihm suchen lassen. Aber hier fühlte Marlon sich sicher. Zumindest vorläufig, und wie es schien, näherte sich das Spiel ohnehin seinem Ende.
    Der Reaper hatte ihm eine Einladung geschickt. Die Botschaft war klar: D-Day. Gestern Nacht noch hatte er sich Roth geholt. Er hatte ihn geröstet, kurz nachdem Marlon mit ihm im Luisenstift gesprochen hatte. Sicherlich hatte sich der Student von der Nachtwache an seinen nächtlichen Besuch erinnert. Und damit war klar, dass Marlon auf der Hitliste der am meisten gesuchten Serienmörder Lemfelds ganz oben stand. Seine Hoffnung war, dass Alex mittlerweile die Daten über das Projekt
Rosebud
von dem Stick ausgelesen hatte und einen Schritt weitergekommen war.
    In gewisser Weise erschien ihm Alex als letzter Anker in der wirklichen Welt. Er selbst war längst abgedriftet. Es gab kein Oben und Unten mehr, kein Wahr und kein Falsch, keine Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Er war gefangen in einem Vakuum, das zumindest ein Gutes hatte: Das Karussell in seinem Kopf hatte aufgehört, sich zu drehen. Keine Versuche mehr, die Dinge in Zusammenhang zu bringen.
    Sandra, die er geliebt hatte, ohne es sich eingestehen zu wollen. Juliane, in die er sich hätte verlieben können. Viviane, die ihm das Leben gerettet und für die er im Lauf der Zeit Empfindungen gehegt hatte. Schließlich Roth, eine gequälte Seele, in der Marlon ein Stück von sich selbst erkannt hatte. Aber all die verwischten Schemen waren jetzt ausgeblendet. Alles bewegte sich nur noch auf einen einzelnen Satz zu, der in Arial 11 Punkt geschrieben war.
    Herzliche Einladung zum Get-together.
    Blieb die Frage, wer genau hier mit wem – oder besser: wer hier mit
was
aufeinandertreffen würde. Marlon warf einen Blick auf die Pistole, die er neben sich abgelegt hatte. Sie würde in wenigen Stunden ihre Premiere erleben. Dann erst las er die Mail.

[home]
    54 .
    D as Handy riss Alex aus dem Schlaf. Zunächst konnte sie den Ton nicht einordnen. Er schien zu dem Chaos in ihrem Traum zu gehören, der aus einem wirren Durcheinander von Feuer und Schreien, Blut und Fleisch, grün-weißen Videobildern von Soldaten im Einsatz, Schüssen und blankem Entsetzen in einem weiß gekachelten Raum bestand. Gegen zehn war sie auf dem Sofa eingeschlafen und in den Alptraum gedriftet, aus dem sie jetzt in Schweiß gebadet und benommen aufwachte. Der Fernseher lief noch. Jürgen Domian saß mit einem Kopfhörer im Studio und diskutierte mit Anrufern. Es musste bereits nach eins sein. Ihr Kopf dröhnte, als hätte sie gerade eine ganze Flasche Wein geleert. Ihr Körper war von Schweiß bedeckt. Alex sprang auf und torkelte zum Schreibtisch, auf dem das Handy wie ein Fisch auf dem Trockenen zappelte. Sie versuchte, auf dem Display die Nummer zu erkennen, aber ihre Augen waren noch zu verschleiert. Zunächst brachte sie nur ein Röcheln zustande, dann räusperte sie sich und sagte: »Ja, bitte?«
    »Hier ist Marlon.«
    Mit einem Schlag war Alex hellwach.
    »Haben Sie die Daten ausgelesen?«
    »J-ja«, stotterte Alex und strich sich die verklebten Haarsträhnen aus der Stirn. »Sie hatten recht, Marlon. Es ist unglaublich. Ich habe die Videos gesehen. Ich darf Ihnen leider keine Auskunft über das Material geben, das Sie noch nicht kennen, aber so viel kann ich sagen: Es ist alles recht zusammenhängend dokumentiert und wird bestimmt zeitnah an die entsprechenden Bundesbehörden gegeben – das BKA , das FBI , sicher auch an Interpol.«
    Marlon lachte leise. »Das wird Ihnen mächtig viele Punkte einbringen, Alex. Aber vergessen Sie nicht, wer Ihnen das Material beschafft hat. Quid pro quo. Eine Hand wäscht die andere.«
    »Ich werde es nicht vergessen. Und möglicherweise bringt es mir Punkte ein, ja. Aber darum geht es nicht. Es geht um die Aufklärung von Verbrechen.«
    »Zu schade, dass ich nicht darüber schreiben kann. Was für eine Story. Es ist wirklich eine Schande. Aber die Umstände behindern mich im Moment, wie Sie wissen.«
    »Wo sind Sie, Marlon?« Alex griff instinktiv nach einem Kugelschreiber und einem leeren Blatt Papier und fluchte innerlich, dass sie sein Handy im Moment nicht orten lassen konnte. Natürlich

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