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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Fleisch verbeißt. Und jetzt schreit die Frau. Ein Schreien, das in nassem Gurgeln untergeht, als die Klinge wie ein glühendes Brenneisen ihre Kehle durchtrennt, die Schlagader öffnet und sich dann in den Leib gräbt. Heiß fließt das Leben aus ihr heraus. Die Bilder vor den Augen verwischen. Dann verblassen sie. Die Schmerzen sind verschwunden. Alles wird leicht.
    Alex stocherte in ihrem Rucola-Salat und starrte auf die vorbeifahrenden Autos, die das Regenwasser aus den Pfützen am Straßenrand aufspritzen ließen. Hatte es sich so zugetragen? Was mochte der letzte Gedanke der Frau gewesen sein? Und was wollte ihr Mörder erleben? Sich an ihrer Angst weiden? Seine Macht auskosten? Hätte er dann nicht einen privateren Ort gewählt als einen derart exponierten? Nein, er musste ein anderes Ziel verfolgen – doch welches? Alex seufzte. Der Regen trommelte auf die von der Sonne verblichene Markise der Pizzeria DiCaprio, unter der Alex vergeblich versuchte, sich ihr Abendessen hineinzuwürgen.
    Knirschende Knochen im Häckselwerk eines Mähdreschers, Totenflecken auf kalter Haut, dunkel wie …
    … der leberwurstfarbene Teppich des DiCaprio, das mit seinen rustikalen Sitzecken und den dunklen Eichenmöbeln einer muffigen deutschen Dorfgastwirtschaft glich. Lediglich einige dekorativ plazierte venezianische Gondeln und Masken sowie die Dauerbeschallung mit Eros Ramazzotti gaben einen Hinweis darauf, dass auf der Speisekarte italienische Gerichte zu finden sein würden. Das Restaurant hatte aber eine ausnehmend nette Terrasse mit wild rankendem Wein und Tischen mit rotkarierten Decken, die an sonnigen Tagen immerhin den Ansatz einer mediterranen Atmosphäre herbeizaubern konnten. Heute allerdings wirkte die Fläche vor dem DiCaprio trostlos. Kein Wunder, Alex war der einzige Gast draußen, aber sie konnte es nun mal nicht ertragen, wenn ihre Kleidung nach dem Restaurantbesuch sofort in die Wäsche musste, weil sie nach Pizzeria stank.
    … der bittere Geruch von Blut. War es ihm wichtig, ihr Blut? Spielte es eine Rolle? Bei dir hat es damals keine Rolle gespielt, Benji, es war einfach da. Es war überall. Und jetzt weg mit euch, Erinnerungen, haut ab, verkriecht euch dahin, wo ihr hingehört …
    Alex seufzte, wischte sich mit der Hand über das Gesicht und versuchte an etwas anderes zu denken. Angelo, der Kellner und Inhaber, hatte ihr neulich erzählt, dass er wegen des Namens einen Rechtsstreit gegen den Schauspieler Leonardo diCaprio hatte führen müssen, dessen deutsche Anwälte der Pizzeria die Verwendung des Namens untersagen wollten. Das wäre der richtige Fall für Dad gewesen, hatte Alex gedacht – prestigeträchtig. Er wäre zehn Zentimeter über dem Boden geschwebt, wenn er einen kleinen Pizzeriabesitzer gegen die Hyänen eines Hollywoodstars hätte verteidigen können. Nicht etwa, weil Dad über einen ausgeprägten Beschützerinstinkt verfügte, o nein. So etwas ging ihm völlig ab – außer, man hatte es in seinen Augen verdient, dass er einem seine Aufmerksamkeit widmete. »Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand, und hier sind wir alle stets auf uns allein gestellt«, war eine seiner Lieblingsweisheiten. In der Familie hatte er darin das Amt des Kapitäns übernommen, und er duldete es nicht, wenn ein Leichtmatrose vom Kurs abwich. Aber es hätte seinem Ego geschmeichelt, wie ein Robin Hood gegen den »Titanic«-Star zu prozessieren. Im Falle eines Misserfolgs hätte er den Pizzabäcker fallen lassen wie eine heiße Kartoffel und rücksichtslos sein Honorar eingefordert, so wie er Alex fallen ließ, als sie nicht so funktionierte, wie er sich das vorstellte. »Du willst die Rebellin in der Familie sein? Dann lebe auch wie eine«, hatte er in einem Streit zu ihr gesagt und betont, sie könne jede Unterstützung vergessen. Ihr Problem mit Autoritäten und Hierarchien, der Druck, sich durch Leistung beweisen zu wollen – all das verdankte sie ihrem Vater. Nun, Angelo jedenfalls hatte die Schreibweise des Restaurants am Ende geringfügig ändern müssen. Jetzt stand er drinnen und bereitete für Alex einen doppelten Espresso.
    Schwarz wie die verbrannten Ähren. Dunkel wie die getrockneten Blutlachen.
    Alex schob noch eine Gabel Salat nach – eher, um sich abzulenken, als aus Appetit – und sortierte geistesabwesend die Brotscheiben in eine gerade Reihe und richtete den Brotkorb dann im rechten Winkel zur Tischkante aus, während sie die Tatort-Details aus dem Kornfeld durchging

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