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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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ihr nach Kreta evakuiert? Gegen die Fallschirmjäger?«
    »Das Fliegerkorps.« Der Flugplatz von Máleme. Earls Verrat. »Ist schon lange her.«
    »Sechs Monate. Mensch, Kumpel, lass es gut sein.« Ginger wurde richtiggehend jovial. »Interessierst du dich für Rugby? St. Mary hat Oxford vierzig zu drei geschlagen, hast du das gehört? Und was soll Oxford schon machen, wenn Colsons Knie kaputt ist?«
    Der Wagen hielt an, die Tür wurde geöffnet. Wieder im Rowansea Royal Hospital. Draußen wartete MacGovern, auf der Stirn klebte ein Pflaster, die Augen waren blutunterlaufen. Er grüßte den Rotschopf mit einem unterwürfigen Lächeln.
    »Unser missratener Sohn«, sagte Mac und half Tom vom Sitz. »Unser Sonnenschein. Gibt’s eine Empfangsquittung zu unterschreiben, Sir?«
    Ginger schüttelte den Kopf. »Ist den Papierkram nicht wert.«
    »Sie gehören zu Whitehall, oder?«
    »Mr. Wall soll ins Büro des Direktors gebracht werden.«
    »Ich werde gut auf ihn aufpassen. Wir sind ja alte Freunde. Stimmt doch, Mr. Wall?«
    Tom sah zu MacGovern, dem die Sehnen am Hals hervortraten.
    »Das stimmt«, sagte Tom.
    »Sie haben alles unter Kontrolle?«, sagte Ginger.
    »Darauf können Sie Gift nehmen.« Mac umklammerte Toms Arm. »Kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr es mich freut, Mr. Wall wieder zu Hause begrüßen zu dürfen.«
     
    Die Frage lautete: Wie stellt man es an, dass man etwas vergisst? Die Antwort lautete: Es geht nicht. Vergessen ließ sich nicht erzwingen. Man konnte nicht einfach ausblenden, dass man ein Gewehr zu zerlegen wusste, konnte nicht einfach eine Glenn-Miller-Melodie aus dem Gedächtnis streichen. Daher lebte man ständig mit dem Getöse der eigenen Vergangenheit – und wenn es zu laut wurde, wenn es einen Zentimeter hinter dem Ohr gellend kreischte, litt man darunter. Alles, was Tom wollte, war amnesische Stille. Er wollte von der Welt der Gegenstände, von seinen Erinnerungen alleingelassen werden. Wollte sich in seinem Bett zusammenrollen und von der schlaflosen Dunkelheit überwältigt werden.
    MacGovern zerrte ihn hinein, zog ihn am Schlafsaal vorbei, weg vom Büro des Direktors. »Seife auf den Kacheln. Ganz schlaues Kerlchen, muss ich schon sagen. Aber wie steht’s mit der Disziplin, mit der Ordnung? Glauben Sie, unsere alten Insassen wollen mitansehen, wie MacGovern zu Fall gebracht wird?«
    »Ich glaube …«
    Mac rammte ihn gegen die Wand, Toms bandagierte Hand stieß gegen eine harte Kante, er schnappte nach Luft. »Sie wollen mich aufs Podest stellen«, sagte Mac. »Dass ich unantastbar bin. Verdammt noch mal un-an-tast-bar. Ich mag ein schäbiger Gott sein, aber ich bin ihr Gott. Sonst haben sie doch nichts!«
    Mac riss an einem Türgriff und zog Tom nach draußen, über einen Weg zum sogenannten Pförtnerhaus. Sie waren allein. Es war kalt. Mac schob Tom in einen leeren Raum. Boden und Wände waren gefliest, auf Kopfhöhe waren Wasserhähne angebracht, eine Wand war mit rechteckigen Metallbecken versehen. Um Schafe zu scheren? Zum Kalben, zum Schlachten? Über einem der Hähne hing an einem Drahtbügel ein modriger Fuchspelzmantel.
    »Also, runter damit«, sagte MacGovern. Tom verstand nicht. Der Raum roch nach Fäulnis und Schimmel.
    Mac verpasste ihm einen Schlag. »Die Kleidung, den hübschen Sonntagsstaat. Runter damit.«
    Unbeholfen löste Tom die Schnürsenkel, zog die Socken aus. Er knöpfte das Hemd auf – der Mantel war längst schon verschwunden, genau wie MacGoverns Brieftasche – und legte es sich über die bandagierte Hand. Er sah zum Fuchsmantel am Drahtbügel. »Soll ich’s dort aufhängen?«
    »Dafür haben wir eine andere Verwendung.«
    Tom faltete das Hemd und legte es über die Schuhe. Er zog Hose und Unterhose aus und packte sie ebenfalls auf den Stapel.
    »Ist Ihnen schon kalt?«, fragte MacGovern. Seine Stimme hallte von den Fliesen wider.
    »Ich hab ganz andere Kälte erlebt, Mac.«
    MacGovern riss das Fenster auf. Dezemberluft strich herein.
    »Sagen Sie es mir, Mr. Wall, wenn Ihnen fröstelt.« Er drehte einen Hahn auf, die Leitung klopfte, und ein nadelscharfer Wasserstrahl kam heraus. »Passen Sie auf Ihre Hand auf, damit sie schön trocken bleibt – wer weiß, wie es darunter eitert, wenn der Verband nass wird.«
    Tom hob den Arm vom Wasser weg. Wie es darunter eitert.
    Er durfte nicht daran denken.
    MacGovern warf den Pelzmantel auf den nassen Boden, nahm den Drahtbügel vom Hahn und prüfte ihn auf seine Festigkeit. »Ordnung, Disziplin. Es ist an

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