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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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Stimme, »muss es noch nicht so sein.«
    »Es ist die Wahrheit.«
    »Und deine Einheit auf Kreta?«
    Earl hatte sie verraten. Er hatte gewusst, dass sechstausend deutsche Fallschirmjäger in Lastenseglern in Máleme landen würden. Er hatte nichts dagegen unternommen. Toms Männer waren gestorben, um eine Schlacht zu verlieren.
    »Ich hab sie verloren«, sagte er.
    »Wir haben gehört, es geht dir wieder besser. Die Verletzung, das Morphium …«
    »Mir geht es wieder ganz großartig. Ich bin diensttauglich. Ich will nur mit ihm reden, mehr will ich nicht. Ich kann … ich schlafe nicht mehr, Harriet. Das Gute dran ist, dass ich endlich Zeit habe, Klarinette zu lernen.«
    Sie sagte etwas, aber er bekam es nicht mit. Er wollte sie in den Arm nehmen.
    »Ich will ihn nur sehen«, sagte er. »Ihm in die Augen schauen.«
    »Nein.«
    »Einen Blick auf seine Papiere werfen, vielleicht kann ich ihn finden.«
    »Nein.«
    »Du bist es mir schuldig.«
    In ihrem Blick war keine Gnade. »Ich bin dir nichts schuldig.«
    »Du schuldest mir einen Vierteldollar für diese Tasse Schokolade.«
    Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn. »Das Waterfall.«
    »Welches Waterfall?«
    »Er nennt es Rapids.«
    »Ein Club? Ein Nachtclub?«
    »Von einer bestimmten Sorte. Ich selbst bin nie dagewesen.«
    Ah. Ein Nachtclub mit Schleiertanz und Nackttableaus. Frauen waren willkommen, Ehefrauen wurden nicht eingelassen. Viele dieser Clubs hatten während des Blitz geschlossen und waren nun wieder geöffnet. Die pechschwarze Dunkelheit der Londoner Nächte war bedrohlich und einladend zugleich. Er stellte sich Earl in einem Nachtclub vor, wie er die Mädchen auf der Bühne in Augenschein nahm, Earl in einem Nachtclub, während Harriet zu Hause wartete …
    »Earl ist dort Stammgast?«
    Sie nickte kurz.
    »Stammgast und Frauenheld«, sagte er. »Ein Don Juan.«
    »Es gehört zu seiner Arbeit, Thomas. Ich vertraue meinem Mann.«
    »Ich hab ihm auch vertraut.«
    Sie erwiderte nichts darauf. Er würde nie wieder ihre Leidenschaft entfachen. Seine Berührungen würden ihr nie wieder Freude bereiten. Sein Atem würde sich nicht mehr in ihrem Haar verfangen.
    »Du weißt nicht, wo er ist«, sagte er. »Du weißt nicht, was er getan hat. Den Mitarbeitern in der Botschaft sagt er: ›Wenn meine Frau anruft, dann richtet ihr aus, dass ich geschäftlich unterwegs bin. Im Rapids, beim Fummeln zu wohltätigen Zwecken.‹ Ein Opfer, das man für seinen Beruf eben bringt.
    Du glaubst, dass er allein schläft? Er erkennt doch gar nicht das Bett, bevor nicht ein Rock darauf liegt. Kommt er nach Hause und riecht er nach Parfüm? Ist er …«
    Sie schlug ihm ins Gesicht. »Ich habe keine Zeit für dein erbärmliches Benehmen, Tom. Ich will dir eines sagen: Du bist nicht du selbst. Du kannst deinem Verstand nicht trauen. Du bist erschöpft und verblendet. Hör mir zu. Du weißt nichts – gar nichts. Geh ins Krankenhaus zurück. Geh – und komm nicht mehr hierher.«
    Sie ging zum Eingang und öffnete die Tür. Der Abdruck ihrer Hand brannte auf seiner Haut. Er ging.
     
    Der Mond stand blass hinter den rußigen Wolken. Die Stadt war pechschwarz, und Tom hatte Probleme, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Er konnte seinem Verstand nicht trauen; er war erschöpft und verblendet und … Nein. Nein, ihm ging es großartig. Er war verwundet, er war unter Drogen gesetzt worden, aber er hatte sich erholt. Er kniff die Augen zusammen, um die Umgebung besser erkennen zu können, trotzdem erahnte er die aufragenden Gebäude mehr, als dass er sie sah. Er war gesund. Er war diensttauglich. Harriet hatte Unrecht … Die Straßen waren finster und kalt. Er hörte einen tappenden Spazierstock, gedämpfte Stimmen, alle Geräusche wurden von der dunklen Stadt geschluckt. Das Rumoren eines Wagenmotors war zu hören, der schwache Schimmer von Verdunkelungsscheinwerfern. Schatten erhoben sich vor ihm – das Schild einer Bushaltestelle, eine Ziegelmauer, ein Schutzraum. Er stolperte gegen einen Briefkasten, entschuldigte sich und sagte dann »Scheiße«.
    Er hörte das Klappern eines Karrens, sah eine blau züngelnde Flamme in der Schwärze schweben und bekam einen Geruch in die Nase, bei dem sein Magen zu knurren anfing.
    Ein Mann verkaufte Fisch und Chips, mit der abgeschirmten Flamme hielt er das Essen warm. Tom kaufte eine Portion, trat drei Schritte zurück, und der Karren verschwand in der Dunkelheit. Nur der Fischgeruch und das Klappern der Räder blieben zurück.
    Tom aß,

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