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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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Ton.
    ›Ja, ja, der ist jetzt in einer sehr peinlichen Lage. Nach all den Verhandlungen.‹
    ›Der Bote aus London sagt, er hat Zustände bekommen. Er steht nicht nur als der Blamierte da, sondern Lady Grey hat auch noch eine Unmenge von Verwandten, und Papa haßt jeden einzelnen von ihnen.‹
    ›Eduard muß von Sinnen sein.‹
    In Richards Augen hatte der glühend verehrte Eduard bisher immer das Richtige getan. Diese Torheit, diese unleugbare, unentschuldbare Torheit konnte nur ein Zeichen von Umnachtung sein.
    ›Das wird das Herz meiner Mutter brechen‹, sagte er. Er dachte, wie tapfer seine Mutter gewesen war, als man seinen Vater und Edmund getötet hatte und das Lancaster-Heer kurz vor den Toren Londons stand. Sie hatte nicht geweint und sich nicht hinter den schützenden Schleiern der Selbstbemitleidung versteckt. Sie hatte dafür gesorgt, daß er und George nach Utrecht kamen. Sie hatte sie beide fortgeschickt, als handle es sich darum, eine neue Schule zu besuchen. Sie wußte nicht, ob sie ihre Kinder jemals wiedersehen würde, aber sie hatte sich mit Umsicht und tränenloser Ruhe um warme Kleidung für die winterliche Reise über den Kanal gekümmert.
    Wie würde sie diesen Schlag ertragen, diesen neuen Schlag? Diese vernichtende Wahnsinnstat. Diese unbegreifliche Torheit.
    ›Ja‹, sagte Anne, milder gestimmt. ›Arme Tante Cicely. Es ist unglaublich von Eduard, seiner Familie so etwas anzutun. Unglaublich!‹
    Aber Eduard war immer noch der unfehlbare große Bruder. Wenn Eduard Unrecht tat, dann nur, weil er krank oder besessen oder verhext sein mußte. Noch immer gehörte ihm Richards unwandelbare Treue, seine anbetende, aus tiefstem Herzen kommende Verbundenheit.
    Auch in späteren Jahren kam diese Verbundenheit – die Verbundenheit eines Erwachsenen, der erkennt und hinnimmt – stets aus tiefstem Herzen.«

    Und dann wandte die Erzählerin sich wieder den Prüfungen Cicely Nevills zu, ihren Bemühungen, zwischen ihrem teils glücklichen, teils beschämten Sohn Eduard und ihrem wutschnaubenden Neffen Warwick zu vermitteln. Es gab auch eine genaue Beschreibung jener durch und durch tugendhaften Schönheit mit dem berühmten Goldhaar, die obsiegt hatte, wo entgegenkommendere Schönheiten gescheitert waren, sowie eine Schilderung ihrer Inthronisation in der Abtei Reading, wo ein wortlos protestierender Warwick sie zum Thron führte und nicht umhin konnte, das gewaltige Aufgebot der Woodvilles zu bemerken, die gekommen waren, um ihre Schwester Elisabeth als Königin von England anerkannt zu sehen.
    Als Richard das nächstemal in dieser Erzählung auftauchte, stach er, ohne einen Pfennig in der Tasche, Hals über Kopf von Lynn aus auf einem holländischen Schiff in See. Mit ihm waren sein Bruder Eduard, Eduards Freund, Lord Hastings, und einige wenige Anhänger. Sie alle hatten nicht mehr als das, was sie auf dem Leib trugen, und nach einigem Hin und Her erklärte der Kapitän sich einverstanden, Eduards pelzgefütterten Umhang in Zahlung zu nehmen.
    Warwick hatte schließlich eingesehen, daß die Woodville-Sippe ein unverdaulicher Brocken war. Er hatte die Hand dazu gereicht, als sein Vetter Eduard auf den englischen Thron gehoben wurde, von dem er ihn aber ohne Schwierigkeiten wieder herunterholen konnte. Dafür stand ihm die Hilfe der gesamten Nevill-Brut zur Verfügung und unbegreiflicherweise auch die aktive Unterstützung des unmöglichen George. Der war zu der Überzeugung gelangt, es sei vorteilhafter, durch die Heirat mit Warwicks anderer Tochter Isabel die Hälfte aller Besitztümer der Montagues, Nevills und Beauchamps zu erben, als seinem Bruder Eduard die Treue zu halten. Im Verlauf von elf Tagen war Warwick Herr eines überraschten England, und Eduard und Richard stapften zwischen Alkmaar und den Haag durch die Oktoberpfützen.
    Von nun an hielt Richard sich im Hintergrund der Erzählung. Den ganzen trostlosen Winter in Brügge über. Während der Zeit, die er bei Margaret in Burgund verbrachte; denn die gutmütige, tränenfeuchte Margaret, die mit ihm und George auf den Treppenstufen von Baynard’s Castle den Vater hatte fortreiten sehen, war jetzt die frischgebackene Herzogin von Burgund. Margaret, die gute Margaret, war traurig und niedergeschlagen – wie so viele Menschen künftig traurig und niedergeschlagen sein sollten –, weil George sich so unerklärlich verhielt, und machte sich daran, für ihre zwei löblicheren Brüder Geldmittel zusammenzukratzen.
    Trotz ihrer großen

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