Alibi in High Heels (German Edition)
Ankunftszeit ihres Zuges. Pech gehabt.
Das Einzige, das ich verstand, war der Text des Laufbandes, das am unteren Rand des Bildschirms zu sehen war, während zurück zu dem Nachrichtensprecher ins Studio geschaltet wurde:
DIE COUTURE - KILLERIN SCHLÄGT IN PARIS ZU .
Ich befand mich im Zelt von Le Croix. Blitzlichter zuckten, Musik wummerte aus den Lautsprechern, halbbekleidete Models rannten hinter der Bühne hin und her. Die Show war in vollem Gang. Von einem Ende des Raumes her bellte Jean Luc seine Befehle. Am Kopf des Laufstegs wartete eine lange Schlange von Models, die auf ihr Zeichen warteten, um loszustolzieren.
Plötzlich packte mich Ann am Arm. Sie sagte etwas auf Französisch, wovon ich rein gar nichts verstand. Ich schüttelte den Kopf und versuchte es ihr begreiflich zu machen. Aber sie redete immer weiter, wurde immer aufgeregter. Schließlich sagte sie ein paar Worte auf Englisch.
»Sie sind als Nächste dran!«
Ich sah an mir herunter. Ich trug eine von Jean Lucs Kreationen – das schwarze Babydoll, das er an dem Tag, als ich ankam, Gisella angepasst hatte.
Ann schob mich vor sich her zum Laufsteg, ganz vorne in die Schlange der wartenden Models.
»Moment!«, rief ich. »Ich bin kein Model. Ich kann das nicht!«
Aber es war zu spät. Sie schubste mich durch den Spalt in dem weißen Vorhang auf den Laufsteg.
Das grelle Licht blendete mich. Ich sah nur die Blitzlichter der Kameras, keine einzelnen Gesichter, doch ich wusste, dass das Zelt brechend voll war. Ich hörte zahlreiche Stimmen Ohh und Ahh rufen und machte zögernd erst einen, dann noch einen Schritt vorwärts. Langsam tastete ich mich über den Laufsteg im grellen Licht der Spots weiter, bis ich mich irgendwann sicherer fühlte. Die Zuschauer applaudierten, und ich begann richtig zu gehen wie ein Model.
Bis ich mit der Schuhspitze gegen etwas stieß.
Ich stolperte und fiel nach vorn, die Arme ausgebreitet, um meinen Sturz abzufangen, der kein Ende zu nehmen schien. Auf einmal war der Boden meilenweit entfernt. Und als ich hinunterblickte, um zu sehen, über was ich da gestolpert war, hörte ich mich selbst schreien.
Dort unter mir lag Tante Charlene in einer Blutlache. Mit einem Stiletto-Absatz im Hals.
Ich fuhr im Bett hoch. Mein Herz hämmerte und der Enten-Pyjama klebte an meiner schweißnassen Haut.
Ich war nicht auf dem Laufsteg. Ich fiel nicht. Ich blickte nicht hinunter auf eine Blutlache. Ich war in meinem Hotelzimmer, inmitten von Rüschen und einer sehr zivilisierten französischen Einrichtung. Mit geschlossenen Augen sank ich zurück in die Kissen und atmete tief ein und aus, um die Geschwindigkeit meines Herzschlags zumindest leicht unter die des Verkehrs auf einem Freeway in L. A. zu senken.
Zuerst der Magen-Darm-Infekt. Jetzt Alpträume. Komm schon, Mädchen, reiß dich zusammen .
Ich schlug die Decke zurück und hüpfte auf einem Bein ins Bad.
Eine dampfend heiße Quasi-Dusche und drei Schichten Mascara später fühlte ich mich wieder mehr wie ich selbst. Ich schlüpfte in ein weißes Sommerkleidchen mit Empire-Taille, ein kurzes rotes Strickjäckchen und eine rote, mit Perlen bestickte Sandale, die nur einen klitzeklitzekleinen, ein Zentimeter hohen Absatz hatte. Ich weiß, wenn Dr. Zopf das sähe, würde sie mit mir schimpfen. Doch mittlerweile hielt halb Frankreich mich für eine Mörderin, ich brauchte eine Aufmunterung. Auch wenn es nur ein Zentimeter war.
Ich saß gerade vor einem Café au lait und einem pain au chocolat (einem Croissant, gefüllt mit weicher, köstlicher Schokolade – die Franzosen wissen eben, wie man frühstückt), die der Zimmerservice gebracht hatte, als mein Handy klingelte und Felix’ Nummer auf dem Display erschien.
Ich klappte das Motorola auf. »Ja?«
»Melden Sie sich immer so?«, fragte Felix.
»Nein. Ich habe Ihre Nummer gesehen und wusste, dass Sie es sind.«
»Ah. Dann darf ich mich also glücklich schätzen, dass ich so charmant begrüßt werde?«
Ich ignorierte den Sarkasmus und schlug zurück. »Wie war das Abendessen mit Tantchen?«
»Reizend. Wie war Ihr Abend? Haben Sie noch jemanden erstochen, von dem ich wissen sollte?«
»Ich hasse Sie.«
»Trotzdem rufen Sie mich immer wieder an.«
»Hey, Sie haben mich angerufen, mein Freund.«
»Weil Sie mich um einen Gefallen bitten wollten. Vor diesem Hintergrund sollte man eigentlich meinen, sie wären freundlicher zu mir.«
Ich stopfte mir ein großes Stück Croissant in den Mund, um nicht etwas Böses zu
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