Alice@Hollywood
Drogen, die ihr Ron heimlich verabreicht hat, haben sie über Nacht ein neues Schönheitsideal entwickeln lassen.
»Want something to drink ?« , eine freundliche Flugbegleiterin beugt sich zu mir herunter.
Sicher, warum nicht. Ich erstehe zwei Minifläschchen Baileys, für je schlappe sechs Dollar. Alcoholic Drinks on this flight are not included!
Nina nickt mir dankbar zu, ohne den Ohrhörer abzunehmen oder ihr schräges Mitsingen zu unterbrechen. Die milchige Flüssigkeit aus dem Plastikfläschchen läuft über die Eiswürfel in meinem Becher, und ich muss an Steve denken. Schon ziemlich strange, dass weder seine Kumpels in New York noch seine Eltern oder Sailor wissen, wo der Kerl sich aufhält. Irgendwas ist da faul. Doch allmählich gewinne ich den Eindruck, dass ich wohl nie erfahren werde, was mit Steve wirklich passiert ist. Ich sollte mich mental von ihm verabschieden. Oder einen Privatdetektiv anheuern, der ihn für mich ausfindig macht.
»Wissen Sie, Alice, vergessen Sie Ihren Steve«, wird er nach gründlicher Recherche seinen Abschlussbericht einleiten, »Ihr Lover ist verheiratet, hat vier Kinder und locker 280 Kilo Lebendgewicht .« Und dann wird Phillip Marlowe mir Fotos zeigen. Steve, wie er mit einem Lastenkran aus dem ersten Stock eines Apartmentblocks gehievt wird, weil er mittlerweile zu schwer zum Treppensteigen geworden ist. Doch auf den Trick falle ich nicht rein. Schließlich habe ich dreimal »Verrückt nach Mary« gesehen. In Wirklichkeit ist der Detektiv schwul, hat sich in Steve verliebt und will mich mit seinem gefakten Bericht aus dem Rennen drängen. Also werde ich mich wohl doch am besten selbst auf die Suche nach ihm machen, und wenn ich dafür jeden Baseballplatz des Landes umgraben muss. Oder ich vergesse Steve einfach. Das spart eine Menge Geld.
Der Flugkapitän kündigt an, dass wir in zirka fünfzehn Minuten in Las Vegas landen werden. Ich gebe Nina einen sanften Knuff, der bedeutet >Lass uns mal aus dem Fenster schauen<. Zwei große Straßen ziehen sich wie schimmernde Perlenketten durch die nächtliche Wüste unter uns. Sie laufen auf einen funkelnden Diamanten zu, der weit entfernt in der Schwärze am Horizont auftaucht. Las Vegas bei Nacht! Ich bekomme eine Gänsehaut. Was für ein Glitzermeer! »Was für eine Energieverschwendung !« , würde Ruth jetzt sagen.
Die Gute verbringt vermutlich gerade ihre zweite Liebes -runde mit Ron. Bleibt nur zu wünschen, dass seine akrobatischen Hochleistungen der vergangenen Nacht kein One-hit-wonder waren. Sonst ist Essig mit der Hochzeit morgen. Sailor war zumindest optimistisch. Solche Typen wie Ron, das wisse er genau, hätten unter ihrer rauen Schale einen weichen Keks. Die seien am Ende noch wirklich treu und wollten für ihre Frau sorgen und eine Familie gründen. Was für Sailor natürlich überhaupt nicht in Frage kommt. Jetzt, wo er sich entschieden habe, zu Hause auszuziehen, fange der Groove erst richtig an. Weg vom flachen Land, hinein in die Partymetropole im Land der hunderttausend Seen. Sailor hat beschlossen, sich in Minneapolis eine Wohnung zu suchen. Was Nina und mir natürlich sehr entgegenkam, denn auf diese Weise hatten wir eine Mitfahrgelegenheit zum einzigen Flughafen, von dem aus man heute noch nach Las Vegas fliegen konnte. Sailor hat uns bis vors Terminal gefahren und sich sogar darum gekümmert, dass wir in Las Vegas ein Zimmer im »Shiny Nugget Hotel and Casino« bekommen. Danach verabschiedete er sich, noch einmal mit dem Versuch, mir beim Abschiedsküsschen seine Zunge in den Mund zu schieben. Danach ist er im Nachtleben der Twin-Cities verschwunden. »Tonight we have a party like it's nineteen ninety nine ... !« Schließlich ist das die Heimatstadt von Prince. Da ist einiges möglich.
»Let mi-hi-hi-hi entertai-he-he-he-hain you ...« Noch einmal verhunzt Nina neben mir einen Robbie-Williams-Song, dann setzt unsere Maschine zur Landung an.
Die Taxifahrt zum Hotel ist eine Reise durch Tausendundeine Nacht. Wir treiben auf Neonwellen, bis eine große Woge uns in die Lobby spült. Oder zumindest in die Nähe der Lobby. Das »Shiny Nugget« ist ein Labyrinth, vollgestellt mit Spielautomaten. In unendlicher Entfernung von der Eingangstür leuchtet am Horizont das Schild der Rezeption. Bis dorthin müssen Nina und ich einen Slalomparcours überwinden, auf dem einarmige Banditen bedrohlich nach uns greifen. Sie zwinkern uns zu, ein Leben voller Luxus versprechend. Ich fühle mich ein wenig benebelt,
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