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Alice@Hollywood

Alice@Hollywood

Titel: Alice@Hollywood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bunzel , Andreas Gaw
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einem Stern drin, der mir bislang noch gar nicht aufgefallen war. In wenigen Sekunden habe ich wieder meinen Ausgangskontostand erreicht. Genau genommen also: einen Dollar verloren. Und den werde ich nicht kampflos dieser gierigen Maschine überlassen. Nein. Das Geld hole ich mir zurück! Ein Fünfdollarschein verschwindet in den Tiefen der Maschinerie. Zwei Kringel und ein Apfel. Ein Kringel, ein  Apfel, eine Kirsche. Aber das lasse ich mir nicht gefallen. Ein weiterer, etwas größerer Schein wechselt seinen Besitzer. Ich entdecke eine rote Stopptaste am Gerät. Damit kann ich den Lauf der Walzen nach Belieben anhalten. Ich muss also nur dafür sorgen, dass die richtigen Symbole im richtigen Moment stehen bleiben, dann kann ich ohne Probleme den Jackpott knacken. Kein Wunder, dass ich ein paar Mal hintereinander verloren habe. Die Sau hat mir ja die Spielregeln nicht richtig erklärt. Aber jetzt kommt Alice! Ich blinzele heftig. Vielleicht kann ich ja eine Art Stroboskop-Effekt erzielen und die vorbeigleitenden Symbole erkennen. Dann könnte ich in der richtigen Sekunde Stopp drücken. Bssssszzzzz! Das war eine Kirsche! Stopp! Nee, war keine Kirsche.
    Nach weiteren 50 Dollar sehe ich ein, dass die Geschwindigkeit der Walzen in Verbindung mit der Trägheit des Gehirns eindeutige Ergebnisse verhindern.
    »Hast du gezockt ?«
    Ich schrecke zusammen. Nina steht hinter mir. Ich zucke unschuldig mit den Schultern.
    »Nicht der Rede wert. Aber mal was anderes: Ich hätte gern meinen Strass wieder. Was meinst du, kriege ich bei eBay so 150 Dollar dafür ?«
    Nina packt mich am Kragen und schleift mich aus dem Kasino.
    Nach einer Standpauke machen wir uns auf die Suche nach der »Romantic Pirate Chapel«. Ruth und Ron haben offenbar beschlossen, im Piratenoutfit zu heiraten. Für Ruth, die Johnny Depp als Freibeuter der Karibik in ihr Herz geschlossen hat, wird ein Traum in Erfüllung gehen.
    »Da hinten ist Elvis !«
    Nina deutet auf eine kleine Kirche, in deren Vorgarten ein Mann mit gegelten Haaren in paillettenbesetztem weißen Overall steht. Er ist der Pastor, wie sich herausstellt, denn er begrüßt ein Brautpaar und geleitet die beiden vor einen kleinen Altar unmittelbar neben dem Eingang der Kapelle. Elvis  hat beschlossen, die Trauung bei schönem Wetter im Freien durchzuführen. Nach einem Medley aus zehn Rock-'n'-Roll-Klassikern beginnt der King mit der Zeremonie. Nina und ich gesellen uns zu einer Gruppe Schaulustiger, vornehmlich Japaner, die mit dem Klicken ihrer Fotoapparate ein Rhythmusgerät überflüssig machen. Der Bräutigam singt »Love me tender«, die Braut kontert »I´m all shook up«. Der hüftschwingende Pastor gibt seinen Segen dazu, und fertig ist die Kiste. Für 20 Dollar kaufen die Frischvermählten dann schnell noch ein Video der Hochzeitsfeier. Viel Zeit bleibt nicht, denn das nächste Paar wartet bereits auf die nächste Rock-'n'-Roll-Trauung.
    Leicht frustriert gehen Nina und ich weiter. Für unseren Geschmack ist das Ganze viel zu unromantisch. Wir verstehen gar nicht, warum Ruth sich so eine Fließbandheirat antun will. Andererseits, wenn ich mir vorstelle, es hätte Steve und mich hierher verschlagen, ich hätte auch die nächstbeste Gelegenheit wahrgenommen, um ihn zu heiraten. Ob mit Elvis, Käpt'n Hook oder dem Krümelmonster als Pastor. Wehmut steigt in mir hoch. Ich muss mich ablenken. Ich krame den Prospekt der Romantic Pirate Chapel hervor, um das Angebot noch einmal zu studieren.
    »Ruth soll eine schöne Hochzeit haben«, sage ich zu Nina. »Kannst du mir fünfzig Dollar leihen? Dann können wir noch zwei Seeräuber bestellen, die romantische Seemannslieder pfeifen .«
    Hinter der nächsten Straßenecke begrüßt uns eine kleine Kirche in Form eines Piratenschiffs. Als eindeutiges Zeichen, dass wir hier richtig sind, sitzt Ruth auf der schmalen Holztreppe, die vom Fußweg zum oberen Deck führt. Sie sieht nicht glücklich aus.
    »Was ist denn, Süße ?« , umarmen wir unsere Freundin, »hat Ron dich verlassen? Ist die Hochzeit geplatzt ?«
    Ruth schüttelt den Kopf. Ein Tränchen kullert über ihre Wange. Aus einer Plastiktüte holt sie ein weißes Kleid mit Spitzenbesatz. Dazu ein rotes Tuch.
    »Das war alles, was ich kriegen konnte«, jammert Ruth, »ich hätte so gern ein echtes Piratenkleid gehabt. So wie Geena Davis!«
    Wir tun unsere Freundinnenpflicht und überzeugen Ruth davon, dass dieses Ensemble das schönste Piratenhochzeitskleid ist, dass jemals eine Piratenbraut

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