Alice at Wonderland
Beide von ihren Frauen sitzen gelassen und daran natürlich völlig unschuldig. Beide mutmaßen, dass ich ein ähnliches Schicksal habe, und bieten mir an, mal ganz un verbindlich irgendwo einen Kaffee zu trinken. Und sich später vielleicht gegenseitig ein wenig Trost zu spenden. Und beide werden ein paar Minuten später von ihren Frauen abgeholt.
Die folgenden drei »Väter«, die sich rührend um mich arme, verlassene Frau kümmern wollten, werde ich erst los, als ich einem zufällig vorbeikommenden Typen um den Hals falle und ihn mit »Oh Schatzi, heute früher von der Arbeit zurück« begrüße. Spielplatz ist echt besser als jede RTL-Singleparty, Blinddate-Clubs oder Kontakt börsen.
Der Typ, dem ich um den Hals gefallen bin, kann das nur bestätigen. Er heißt Stephan, ist allein erziehender Va ter, hat einen echt knackigen Arsch und sieht auch sonst ziemlich passabel aus. Leider ist er über den Tod seiner Frau noch nicht hinweg. Und es ginge ihm ziemlich auf den Geist, dass sich manche allein erziehende Mütter hier aufführten wie die letzten notgeilen Mittvierzigerinnen am Rosenmontag. Zum Glück kann ich das Missver ständnis aufklären, und er ist sehr verständnisvoll, als ich ihm vom tragischen Tod meines Mannes erzähle und wie sehr der Verlust unserem sechsjährigen Sohn zu schaffen macht.
Stephan und ich verstehen uns auf Anhieb gut. Brenzlig wird die Situation, als Thorben-Hendrik zu uns kommt, Stephan ihn in den Arm nimmt und sagt, dass mit seinem Papa tue ihm sehr Leid.
»Das braucht es nicht«, erwidert Thorben. »Der ver dient genug Geld. Und nächstes Jahr macht er locker eine Million.«
Dann würden alle sehen, wie toll er sei. Damit rennt er wieder zurück zur Rutsche, und ich rette die Situation, indem ich Stephan erkläre, dass mein Mann in der Gedan kenwelt unseres Sohnes weiterlebt.
Mein neuer Sandkastenfreund und ich unterhalten uns köstlich, und ich denke für einen Augenblick gar nicht daran, dass Nina noch nicht wieder angerufen hat. Der Umstand, dass ein Mann neben mir sitzt, schreckt offensichtlich die anderen Spielplatz-Gockel ab, und ich be obachte ein Weilchen die Kinder beim Spielen und deren Erziehungsberechtigte.
Es gibt drei Kategorien von Eltern: Die alternativöko angehauchten, die eigens den Naturkautschuk-Schnuller ablutschen, wenn er in den Sand gefallen ist, bevor sie ihn dem Baby in der handgewebten Jutetrage wieder zurück in den zahnlosen, mit selbst gekochtem Karottenbrei ver schmierten Mund schieben. Die erkennt man auch daran, dass ihre Kinder nicht mit ihren pädagogisch wertvollen Holzpüppchen spielen, sondern den anderen Zwergen die ergonomische Schaufel auf den Kopf hauen, um an die Super-Hero-Actionfigur aus unabbaubarem Plastelin zu kommen.
Dann gibt es noch die supercoolen Yuppie-Parents. Die zwar notgedrungen in ihren Armani- und Boss-Klamot ten mit auf den Spielplatz gehen, aber demonstrativ Ca pital und nicht Eltern lesen, während sie dem Nachwuchs am Sandkasten erklären, warum man mit einem Nokia- Fotohandy keinen Tunnel graben sollte. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ständig den Kopf schütteln, um zu zeigen, dass sie sich von allen anderen distanzieren.
Und schließlich die vermeintlich »Normalen«, die sich zwar ein wenig über Erziehung angelesen haben, aber auch vieles »aus dem Bauch heraus« machen. Die grundsätz lich Homöopathie befürworten, aber bei Scharlach auch nichts gegen Antibiotika haben. Sie haben in der Regel zwei Kinder, fahren einen geleasten Kombi und verbringen das Wochenende mit ihrem Nachwuchs bei Oma und Opa auf dem Land. Die »Normalo-Mamas« erkennt man an dem Satz: »Eigentlich wollte ich ja Journalistin werden, aber dann kamen die Kinder und ... na ja, aber letztlich ist es auch schön, so wie es ist.«
Ich glaube, wenn ich mal Kinder haben sollte, dann ge höre ich zu keiner dieser Kategorien. Ich werde alle Fehler vermeiden, die meine Eltern gemacht haben. Als ich klein war, habe ich zum Beispiel kein Pony gekriegt. Ich durfte nicht mit Jungs allein auf meinem Zimmer sein und nur auf Partys gehen, auf denen es keinen Alkohol gab. Meine Tochter soll alles haben, was mir gefehlt hat. Und wahr scheinlich wird sie dann eine drogenabhängige, nympho mane Springreiterin.
»Ich glaube Thorben-Hendrik verprügelt gerade eine Zweijährige!«, bemerkt Stephan trocken.
Ganz der Vater, denke ich wieder. Weiß genau, wo er seine Überlegenheit ausspielen kann. Wir springen auf und rennen hin. Als wir am
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