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Alice at Wonderland

Alice at Wonderland

Titel: Alice at Wonderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bunzel Gaw
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einen potenziellen Bankräuber vermutete.
    Als ich am Stadthaus ankomme, ist die Meldehalle ge schlossen. Typisch, denke ich, die arbeiten auch nur, wenn es ihnen gefällt. Ich streiche das Wort Personalausweis von meiner imaginären To-do-Liste.
    Es ist kurz vor 16 Uhr und ich bekomme Hunger. Al lerdings muss ich heute noch mein Auto aus der Werkstatt holen. Ich habe mich endlich dazu durchgerungen, einen CD-Player einbauen zu lassen. Also fällt Essen zunächst flach, denn wenn ich erst nach halb fünf in der Werkstatt bin, ist dort mit Sicherheit schon geschlossen.
    Ich steige in die nächste S-Bahn, und als mein Magen so laut knurrt, dass eine Rentnerin neben mir demonstrativ ihr Hörgerät abschaltet, kaufe ich einem Schüler für drei Euro einen Müsliriegel ab. Das bringt wenigstens ein bisschen Beruhigung in meine Innereien.
    »Mensch, was machst du denn hier?«, höre ich jeman den hinter mir. Es ist Ruth, und ich erfahre, dass sie auf dem Weg zu einer Ausstellung ist. Ein junger Künstler zeigt Werke, die er mit seinem Penis gemalt hat. Klingt interessant, finde ich, befürchte aber, dass es sich größtenteils um Miniaturen handeln wird. Ruth drängt mich, mit zukommen. Der Künstler plane eine Live-Performance, und sie wäre froh, wenn ich sie herausführen könnte, falls sie Anstalten mache, inkontinent zu werden. Ein Anruf bei meiner Autowerkstatt öffnet mir ein Zeitfenster von neunzig Minuten, denn heute macht man dort erst um 18 Uhr die Pforten dicht.
    Kurz drauf befinden sich Ruth und ich uns in einer Gruppe äußerst elitärer Kunstkenner, die sich allerdings
    zunächst weniger für die Gemälde als für den kostenlo sen Champagner interessieren. Auch mein Interesse be schränkt sich zuerst auf ein Silbertablett voller Kaviar- Häppchen. Mag ich zwar eigentlich nicht wirklich, zu fishy, aber für den kleinen Hunger zwischendurch ist es okay. Auf die Nachfrage der Galeristin, ob ich denn eine Einladung hätte, kann ich mich mit einem »nicht direkt, aber ich hatte ein ähnliches Arbeitsgerät wie das des Künstlers schon mal in der Hand« herausreden.
    Und dann kommt der Meister der genitalen Ölmale rei. Ein leicht dicklicher Durchschnittstyp Mitte dreißig. Er trägt eine rahmenlose Brille, die sein leicht vernarbtes Gesicht nur spärlich verdecken kann. Unter seinem farb verschmierten Künstlerkittel ragen stark behaarte, nackte Stummelbeine hervor, die wenig Geschmack darauf ma chen, was sich einen halben Meter oberhalb befinden mag. Der Künstler stellt sich selbst als Van Cock vor und plat ziert unter dem Beifall des kompletten Kunstleistungskur ses ein paar Farbeimer um sich herum. An den Wänden hängen weiße Leinwände. Eine hagere Frau in der Ecke spielt dazu nackt auf einem Cello, wobei sie aufpassen muss, dass sich ihre schlaffen Brüste nicht in den Saiten verfangen. Ruth ist superaufgeregt, was aber, wie sich spä ter herausstellt, daran liegt, dass sie ihren schwarzen Tee hat zu kurz ziehen lassen. Endlich öffnet Van Cock seinen Kittel, und zum Vorschein kommt... sein Pinsel. Ein echter Malerpinsel, den er auf Höhe seines Gliedes mit einem Lederriemen festgebunden hat. Breitbeinig stellt sich Mr. Painterman über einen der Farbeimer und taucht den Pinsel ein. Danach geht alles sehr schnell. Wie Pumuckl springt er von einer Leinwand zur nächsten und verteilt mit seinem Pinselschwanz bunte Farbtupfer, während sich die Cellistin fast bis zum Höhepunkt geigt. Nach drei Mi nuten bricht der Künstler erschöpft zusammen und lässt sich unter Begeisterungsrufen aus dem Raum tragen. Für mich eigentlich auch das Zeichen zu gehen. Ich sehe mich
    nach Ruth um, die neben dem Buffett steht und mit Terpentin Farbspritzer aus ihrem Kleid entfernen will. Van Cock war beim Übergang von Rot auf Umbra zu nah an sie herangekommen.
    »Nicht! Das ist Kunst!«, sage ich im Scherz, als ich zu ihr rübergehe, um mich zu verabschieden.
    »Sie haben wirklich ein Gefühl dafür!«, stellt ein kahl köpfiger Frührentner fest, der sich plötzlich zu uns gesellt. Er trägt einen weißen Schal und einen hautengen Pulli unter seinem Jackett. Er bietet Ruth allen Ernstes fünfhundert Euro für das Kleid. Und während Ruth noch überlegt, versuche ich ihm mein Halstuch, das auch einen kleinen Spritzer Farbe abbekommen hat, für zehn zu ver kaufen. Er bemerkt gar nicht, dass ich einen Witz machen wollte, und gibt mir dreißig. Ich überlasse ihm mein Hals tuch. Dann setzt das unausweichliche Geschwafel ein, das

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