Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt
Schon gar nicht an dich. Du bist ein junger Mann, hast noch das ganze Leben vor dir. Willst du es in Vergessenheit verbringen, vergessen von dem einzigen Menschen, den du je geliebt hast und den du garantiert nie vergessen wirst?“
„Sie haben recht, ich war wütend. Sehr wütend.“ Teddy zeigt auf seinen Gipsarm. „Aber jetzt bin ich nicht mehr wütend. Ich will keine Rache. Ich will nur Gerechtigkeit. Recht muss Recht bleiben. Aber wenn ich sie nicht haben kann, soll auch kein anderer sie bekommen. Da will ichsichergehen. Ist das nicht fair?“
„Ein anderer hat sie bereits bekommen“, unterbrichtihn Malangi. „Es ist besser, nicht über diese Dinge nachzudenken. Es macht dich nur verrückt. Nicht einmal Heilige können ein Kind bekommen, ohne davor ein bisschen Spaß zu haben. Vergiss es. Hör auf, dich selbst zu bemitleiden. Hör auf, sie zu bemitleiden. Denk daran, es geht um die Liebe. Du musst ihr etwas geben, das sie nie vergisst. Nie.“Er deutet auf eine doppelt verschlossene Vitrine. Auf einem Schild über dem Schrank steht „Gefährliche Substanzen“. Kommissar Malangi geht an den Schrank, schließt ihn auf und baut sich davor auf wie ein Chemiker, der sein Lebenswerk präsentiert.
Er nimmt eine Glasflasche heraus, stellt sie wieder abund sieht sich nach einem Tuch um. Er umwickelt seine Hand und schraubt die Flasche vorsichtig auf. Er schütteteinen Tropfen auf das Holzbrett in der Vitrine. Es zischtund Rauch steigt von der Stelle auf, auf die der Tropfengefallen ist. Innerhalb eines Augenblicks brennt er ein Lochin ein Zentimeter dickes Brett aus solidem Holz.
„Probier es mal hiermit, und sie wird dich nie vergessen. Das ist das Einzige, was genauso wehtut wie die Liebe.“
Vorsichtig packen sie die Flasche in einen kleinen Jutebeutel, und Kommissar Malangi begleitet Teddy zum Tor. „Außerdem brauchst du Arbeit. Der Laden hier geht allmählich vor die Hunde. Ich kenne da eine alte Familie, die einen Fahrer und Bodyguard sucht. Die Arbeit ist vielleicht ein bisschen langweilig, aber die Bezahlung ist gut. Sie haben übrigens auch noch eine Rechnung mit deiner Frau zu begleichen. Sie werden dich schützen, und du siehst etwas von der Welt.“ Er führt Teddy zu einem blitzenden Surf, um den vier Wachleute in schwarzer Uniform stehen. Das Nummernschild hat keine Zahlen, es steht nur ein Wort in breiten roten Lettern darauf. „Versuch’s einfach mal. Ich hoffe, ihr kommt miteinander aus“, sagt Kommissar Malangi, als er Teddy den Wächtern vorstellt. „Und trag das Zeug nicht am Körper, und pass auf, dass du nichts verschüttest. Es ist kostbarer als Gold.“
Der Junge durchsucht Kommissar Malangis Brieftasche sehr sorgfältig, als würde er sich noch für etwas anderes als die Tausend-Rupien-Scheine darin interessieren. Dann hat er anscheinend gefunden, was er sucht. Er wendet den Kopf dem Jungen auf dem Motorrad zu und nickt. Dieser schiebt die Baseballmütze zurück und lässt zur Antwort seine Maschine aufheulen. Diesen kleinen Austausch hat Kommissar Malangi schon eine Million Mal gesehen. Er bedeutet: Job erledigt, los, wir hauen ab.
Erst als die Kugel seinen Nacken durchbohrt, wird Kommissar Malangi klar, was ihr Job war. Er greift sich mit einer Hand in den Nacken und blickt, bevor er aufs Gaspedal tritt, hinaus zu dem Jungen auf dem Motorrad. Im selben Moment erkennt er, dass es Nicht-Abu-Zar ist. Er hat bereits seine Pistole in die Jacke gesteckt und sieht ihn nicht einmal an. Der Wagen macht einen Satz nach vorn, Kommissar Malangi sackt auf das Lenkrad, der Wagen schlingert und knallt genau in dem Augenblick gegen die Ampel, als sie auf Grün schaltet. Er blockiert die beiden Fahrspuren davor. Jemand hupt ungeduldig. Noch jemand hupt. Bald ertönt ein wütendes Hupkonzert. Ein Krankenwagen bleibt im Verkehr stecken und die Sirene beginnt zu heulen. Während Kommissar Malangi verblutet, denkt er das Gleiche, was all die entnervten Fahrer denken, die hinter ihm festsitzen: Wann wird diese Nation endlich lernen, wie man sich im Straßenverkehr benimmt?
neunundzwanzig
Bis zwei Uhr morgens wartet Alice Bhatti auf Teddys Rückkehr. Dann geht sie ruhig in die Küche, nimmt den Teller mit dem Essen, das sie für ihn zubereitet hat, legt eine weiße Papierserviette darüber und wirft es in den Mülleimer. Sie bereut es sofort. Sie fühlt sich schuldig, wie immer, wenn gute Nahrung oder Nahrung überhaupt verschwendet wird. Yasus Fleisch, hört sie die mahnende Stimme Joseph
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