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Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Titel: Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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in die Luft. Die Gasflasche, ein defekter Herd, ein Schrank kann umfallen oder jemand stürzt aus dem Fenster. So etwas passiert jeden Tag.“
    „Wir leben nicht mehr zusammen“, sagt Teddy und starrt erwartungsvoll auf den Samtbeutel, als würde Kommissar Malangi daraus die Lösung all seiner Probleme hervorzaubern oder ihm wenigstens zum Abschied eine teure Uhr schenken. Malangi zieht zwei goldene Armreifen heraus und streichelt sie sacht, als versuche er, sich an die zarten Gelenke zu erinnern, die diese Armreifen einst zierten.
    „Und wo ist sie jetzt?“, fragt er und streckt Teddy die Hand entgegen, sodass dieser die Reifen aus der Nähe betrachten kann. „Tot. Jugendlicher Zorn. Gibt es einen Tag in meinem Leben, an dem ich nicht an sie gedacht habe? Ja, es gibt Tage, an denen ich es tatsächlich nicht tue. Aber“, er klopft sich mit dem Knöchel gegen die Stirn, „sie ist immer da. Und was war ihre Strafe? Eine Kugel in den Kopf, zwei Sekunden, und nun weiß sie nicht einmal mehr, dass sie die schönste Frau war, die das G-Korps jemals in Handschellen gelegt hat. Und was habe ich bekommen? Lebenslanges Leid, eine zerstörte Karriere, Kinder, die schlecht in Mathematik sind. Eine Frau, die mich ständig verhöhnt, ich sei nicht Manns genug für sie. Aber du musst nicht leiden, wie ich gelitten habe. Lass sie unser Leid ein bisschen teilen.“
    Kommissar Malangi macht eine kurze Pause, nicht ganz sicher, ob Teddy ihm folgen kann. „Komm mit.“ Er legt die goldenen Armreifen wieder in den Beutel, schließt den Silberdraht, nimmt einen Schlüsselbund und macht sich auf den Weg zum Mal Khana . Teddy folgt ihm. Kommissar Malangi schaltet das Licht ein. Dennoch bleibt es dämmrig in der von Schatten und strengen, beißenden Gerüchen erfüllten Asservatenkammer.
    „Ich will dir etwas zeigen“, sagt Malangi und zieht ein Laken von einem Sarg mit gläsernem Deckel. Im trüben Licht des Raums sieht Teddy eine Mumie, wie sie in Werbefilmen für Reisen nach Ägypten gezeigt werden. Die Mumie hat die rosigen Wangen eines Mädchens aus den Bergen und die traurigen Augen einer alten Frau, deren gesamte Nachkommenschaft zu ihren Lebzeiten gestorben ist. „Das ist natürlich eine Fälschung. Sie ist erst siebzig Jahre alt, aber ein wahrer Künstler hat sie in seinem Hinterhof gemacht und wollte sie als Beutegut aus Belutschistan verkaufen, als die entlaufene Cousine irgendeines minderen Pharaos, die hier gelandet sei. Ein britisches Museum hätte sie fast gekauft.“ Er zieht das Laken wieder über den Sarg. „Verstehst du, was ich sagen will? Sie sind falsch, selbst wenn sie tot sind. Diese Frauen, ich sage es dir, sie gehen noch immer mit Phantasien hausieren, auch wenn sie längst im Sarg liegen. Man kann ihnen nicht trauen, selbst wenn ihre Herzen nicht mehr schlagen.“
    Teddy weiß nicht genau, was eine gefälschte ägyptische Mumie mit ihm und Alice zu tun hat, aber ihn überkommt plötzlich ein schmerzliches Gefühl von Verlust. Als hätte man ihm eine authentische, fünftausend Jahre alte Liebe aus den Tiefen einer Pyramide versprochen. Und was hat er bekommen? Eine Fälschung aus einem Hinterhof in Belutschistan.
    „Nimm dir, was du brauchst“, sagt Kommissar Malangi und macht eine den Raum umfassende großzügige Geste. Teddy war schon früher einmal hier, aber nur um eine Waffe zu holen, die nicht zum G-Korps zurückverfolgt werden konnte. Im Schatten stehend überlegt er, was er mit zwei Tonnen Haschisch, das sich bis zur Decke türmt, Wannen voller DVDs, indischem Falschgeld oder Raketenwerfern ohne Raketen anfangen soll.
    „Liebst du sie?“, fragt Kommissar Malangi in unbeteiligtem Ton, als würde er Teddy fragen, was er zum Frühstück gegessen hat.
    Teddy hält dies für eine Fangfrage und schließt die Augen. „Das habe ich mich auch schon gefragt.“
    „Ich glaube, allein der Umstand, dass du dir diese Frage stellst, ist bereits die Antwort. Und wenn du sie liebst, wirst du sie nie vergessen. Das liegt in der Natur der Liebe. Eine Frau, die du liebst, kannst du nie vergessen, auch wenn du die Huren sämtlicher Nationalitäten flachlegst, die hier an Land gespült werden.“
    Teddy nickt zustimmend. Der Haschischgeruch macht ihn schwindlig, und er denkt an Alice Bhattis glattes Kinn an seinem Hals.
    „Aber du willst doch, dass sie auch dich nicht vergisst? Sagen wir, du schießt ihr eine Kugel durch den Kopf. Wird sie sich danach an dich erinnern? Sie wird sich an gar nichts erinnern.

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