Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt
Potenzial. Alice darf ihm nicht den Eindruck vermitteln, dass sie die Absicht hat, ihn zu verlassen, selbst wenn sie es in Wahrheit vorhat.
„Geh nach Hause, koch etwas für ihn und warte, dass er kommt. Dann setz dich an den Tisch mit ihm und sag es ihm. Lächle dabei. Sag ihm, dass er Vater wird. Das Wort gefällt ihnen. Und wenn er als Vater nicht anwesend ist, wirfst du ihn raus.“
Alice Bhatti weiß nicht, ob die Idee so gut ist. Gerade erst hat sie ihre Sachen gepackt. Sie will sie nicht zurück ins Al-Aman-Apartment schleppen und tun, als wäre nichts geschehen. Und was soll aus Little werden? Bei Hina Alvi kann sie ihn nicht lassen.
„Ich nehme ihn mit ins Herz Jesu. Ich habe dort genug Sklaven, die sich um ihn kümmern.“ Hina Alvis Anweisungen sind präzise. „Und wenn du so weit bist, kommst du wieder zur Arbeit. Wir beide werden dort auf dich warten.“
achtundzwanzig
Kommissar Malangi muss scharf bremsen, um den gefleckten Hund, der vom Gehsteig springt und über die Straße hinkt, nicht zu überfahren. Er würgt den Motor ab. Er hat schon länger vorgehabt, seinen ramponierten Toyota überholen oder den Motor austauschen zu lassen (oder eine neue Karosserie zu kaufen, sich dann aber gefragt, ob es noch derselbe Wagen wäre, wenn er beides ersetzen würde). Er lässt ihn wieder an, doch ehe er losfahren kann, schaltet die Ampel vor ihm auf Rot. Kommissar Malangi hört ein Klopfen am Fenster und kurbelt es herunter, um einen Jungen in einer dicken Jacke zu verscheuchen, der für dieses Wetter und seine Arbeit entschieden zu warm angezogen ist. Der Junge bietet ihm für fünf Rupien eine Reise nach Mekka an. Seit wann tragen die Bettler an Ampeln Klashni-Jacken?, fragt sich Kommissar Malangi. Er hat gerade im Hauptquartier des G-Korps Abschiedsgeschenke abgeliefert und entgegengenommen. Seine kurze Dankesrede hat er mit dem Satz „Vergeben und vergessen Sie, aber gedenken Sie meiner in Ihren Gebeten“ beendet.
Er ist in freigebiger Stimmung, wie Menschen es häufig sind, wenn für sie ein neuer Lebensabschnitt beginnt, und greift automatisch zum Portemonnaie. Er will sich gerade zu einem kleinen Vortrag über die Schande des Bettelns und die Würde der Arbeit anschicken, als der Junge seine Jacke öffnet, eine alte Mauser zieht, sich herunterbeugt und den Kopf durchs Fenster steckt. „Hände aufs Lenkrad“, flüstert er. Die Ampel beginnt mit ihrem Countdown: 90, 89, 88 …
Kommissar Malangi empfindet beinahe Mitleid mit diesem Jungen, der glaubt, mit seiner Pistole die Situation im Griff zu haben. Würde Malangi jetzt Gas geben, fiele ihm wahrscheinlich der abgerissenen Kopf des Jungen in den Schoß und nur sein sich windender, kopfloser Rumpf bliebe auf der Straße zurück. Aber er weiß, dass Jungen in diesem Alter nichts vom rasanten Tempo des Lebens verstehen. Es gab Zeiten, in denen er so etwas getan hätte, nur um dem Jungen eine Lektion zu erteilen, aber dieses Leben hat er jetzt hinter sich. Er möchte seinen Ruhestand damit verbringen, mit seinen Kindern Mathematik zu lernen, ein Fach, in dem sie trotz aller Nachhilfe nie die erforderlichen Leistungen erbringen. Das Einzige, das Kommissar Malangi nach sechsunddreißig Jahren im Dienst der Öffentlichkeit sicher weiß, ist, dass die nächste Generation besser in Mathematik sein muss.
„Leg deine Brieftasche auf das Armaturenbrett“, befiehlt der Junge scharf und sieht dabei zur Seite. Ein alter Zeitungsverkäufer im Trainingsanzug eilt, eine Ausgabe von The Daily Ummah schwenkend, auf Kommissar Malangis Wagen zu, dreht jedoch jäh ab, als er sieht, dass ein Überfall im Gange ist. Er fächelt sich mit der Zeitung Luft zu und setzt den Verkauf auf der anderen Straßenseite fort.
Kommissar Malangi spürt einen Anflug von Sehnsucht nach dem Leben, das er an diesem Nachmittag hinter sich gelassen hat. Die Tage und Nächte, die er damit verbracht hat, solche Jungen zu jagen, sie bis spät in die Nacht zu verhören, ihre geschmeidigen, jungen Körper bis an ihre Grenzen zu bringen. Diese Jungs werden ihm fehlen. Der hier wirkt ziemlich zappelig und nervös, er ist neu in der Branche, weiß noch nicht, ob das, was er tut, eine längerfristige Karriereoption ist oder bloß ein Ausrutscher, um sein monatliches Budget aufzubessern. Kommissar Malangi sieht an dem Jungen in der Klashni-Jacke vorbei und entdeckt, wie erwartet, einen zweiten Jungen auf einem Motorrad, der ständig Gas gibt und abfahrbereit den sich stauenden Verkehr und die
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