Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alice im Netz - das Internet vergisst nie!

Alice im Netz - das Internet vergisst nie!

Titel: Alice im Netz - das Internet vergisst nie! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
Vom Netzwerk:
regelmäßig den Traumfaden. Hier war der Alptraum einfach zu Ende. Er wachte schweißgebadet auf und schaffte es – in den meisten Fällen – gerade noch ins Badezimmer, um sich keuchend über dem Klo oder manchmal auch der Badewanne zu übergeben. Mit zittrigen Beinen schlich er in sein Bett zurück und starrte erschöpft und zutiefst verzweifelt gegen die Zimmerdecke.
    Ein Traum. Alles war nur ein bescheuerter Traum gewesen, stellte er fest, jedes Mal.
    Und dennoch war er nicht erleichtert darüber. Denn obwohl er tatsächlich alles nur geträumt hatte, fürchtete er sich davor, dass sich ein weibliches Wesen, das ihm gut gefiel, so wie in seinem Traum in ein widerwärtiges Schwein verwandeln könnte. Und die anderen würden um ihn herumstehen und laut rufen: „Komm, Dickerchen, küss die fette Sau. Knutsch das Schwein. Fettbacke zu Fettbacke.“
    Genauso wie früher, als er noch der kleine, dicke, rothaarige Junge gewesen war und sie ihn gezwungen hatten, die widerliche stinkende Sau zu küssen.

14. Kapitel
    Nach einer knappen Stunde beschloss Alice, nicht mehr länger zu warten. Im Grunde war es so gekommen, wie sie es sich gedacht hatte: Mike war nicht aufgetaucht, weil er ein feiger Idiot war. Keinen Gedanken würde sie mehr an diesen Feigling verschwenden, beschloss sie.
    Seufzend stand Alice von ihrem Platz auf, legte die Zeitschriften zurück in den Ständer und ging zum Tresen hinüber.
    â€žTäubchen, kann ich bitte bezahlen“, rief sie der Café-Inhaberin zu, die wahrhaftig wie ein zartes Täubchen wirkte, mit ihrer schlanken, eleganten Gestalt und den blaugrauen Haaren, die sie stets zu einem lockeren Knoten am Hinterkopf zusammengesteckt trug.
    â€žAber natürlich, Schätzchen“, zwitscherte sie freundlich zurück und schob sich ihre hellblaue Lesebrille auf die Nase. „Was hattest du denn?“
    â€žEine Cola und einen Kakao mit Sahne.“
    â€žDas macht dann 3,80.“
    Alice reichte ihr vier Eurostücke über den Tresen und sagte: „Stimmt so.“
    Täubchen reagierte so, wie sie immer reagierte, wenn einer der Jugendlichen ihr Trinkgeld – und mochte es auch noch so wenig sein – geben wollte. Sie schüttelte vehement den Kopf und sagte mit vorwurfsvoller und dennoch sanfter Stimme: „Halte du mal schön dein Geld zusammen, Schätzchen. Du hast etwas verzehrt, und das hast du bezahlt.“
    Alice nahm die zwanzig Cent kommentarlos entgegen und verstaute sie in ihrer Geldbörse. Widerstand war zwecklos, dazu kannte sie Täubchen viel zu gut.
    â€žTschüss und einen schönen Tag noch.“ Alice nickte ihr zu und bewegte sich in Richtung Ausgang.
    â€žDir auch, Schätzchen, dir auch“, flötete Täubchen ihr hinterher.
    Vorm Café stand sie einen Moment lang unentschlossen herum. Nach Hause zu gehen, dazu hatte sie absolut keine Lust. Aber ziellos im Einkaufszentrum herumzuschlendern, kam ihr auch wenig verlockend vor.
    Draußen hatte es angefangen zu nieseln. Aus dem Nieselregen war Eisregen geworden, der allmählich in zarte Schneeflocken übergegangen war, aber wahrscheinlich nur, um später wieder zu nervigem Nieselregen zu werden. Darauf hatte Alice am allerwenigsten Lust.
    Sie beschloss, in die Buchhandlung zu gehen und sich dort noch ein wenig aufzuhalten. Vielleicht konnte sie dort endlich in Daniel Glattauers Roman
„Gut gegen Nordwind“
weiterlesen. Letzte Woche war sie bis Seite 211 gekommen. Dummerweise hatte ihre Tante ihr vor ein paar Wochen, zu ihrem sechzehnten Geburtstag, den zweiten Teil der magischen E-Mail-Lovestory zwischen Emmi und Leo,
„Alle sieben Wellen“
, geschenkt. Was natürlich nicht wirklich dumm von ihr gewesen war, denn für Alice war ein Buch das beste Geschenk, das man ihr machen konnte. Nur hatte sie den ersten Band noch nicht gelesen und momentan auch kein Geld, ihn sich zu kaufen. Band zwei vor Band eins zu lesen, kam ihr unlogisch und falsch vor. Also hatte sie angefangen, in der Buchhandlung still und heimlich und vor allen Dingen so unauffällig wie möglich Band eins zu lesen.
    Den Bogen durfte sie dabei natürlich nicht überspannen, denn obwohl zahlreiche Leser sich mit Büchern in die Kuschelsessel zurückzogen und die Mitarbeiter des Meyerschen Bücherparadieses wirklich sehr großzügig waren, was den stundenlangen Aufenthalt der Kunden in der Buchhandlung

Weitere Kostenlose Bücher