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Alice im Netz - das Internet vergisst nie!

Alice im Netz - das Internet vergisst nie!

Titel: Alice im Netz - das Internet vergisst nie! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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ihr Magazin und scannte dabei unauffällig das Café.
    Wo bist du, Mike? Zeig dich endlich!

13. Kapitel
    Er war müde, weil er die halbe Nacht nicht geschlafen hatte, sich stattdessen hin und her gewälzt und dabei bemüht hatte, an nichts zu denken. Dabei hatte sein Gehirn nicht eine Sekunde aufgehört zu rattern – und ihn damit wach gehalten. Gegen drei Uhr in der Frühe sah es endlich ein, dass er Schlaf dringend nötig hatte.
    Der Alptraum setzte sofort ein. Er verfolgte ihn seit einigen Jahren. Genauer: seitdem er ein kleiner, dicker Junge mit dunkelblauer Nickelbrille auf der Nase gewesen war.
    Er kannte diesen Traum in- und auswendig, er variierte selten und kam zuverlässig immer wieder. Das Szenarium war stets gleich, mit kleinen Schwankungen in der Reihenfolge. Mal begann er mitten drin, mal am Anfang und manchmal sogar mit dem Ende. In dieser Nacht lief er wie ein Spielfilm schön der Reihe nach ab.
    Er ging die Straße entlang. Alles war dunkel, nur ein paar vereinzelte Straßenlampen spendeten ein wenig Licht. Obwohl er ein kleiner Junge war, fürchtete er sich nicht vor der Finsternis. Er lief und lief, bis er atemlos an einer Kreuzung zum Stehen kam und sich keuchend für einen Moment unentschlossen in alle Richtungen umschaute.
    â€žWelche Straße soll ich nehmen?“, krächzte er in die Dunkelheit.
    Er entschied sich für die Straße nach links. Für diese Richtung entschied er sich immer in diesem Traum, denn diese Straße war heller und wirkte freundlicher auf ihn als die andere. Und ein bisschen Freundlichkeit um sich herum, das war genau das, wonach sich der dicke, rothaarige Junge sehnte.
    Ein paar freundliche Worte. Ein Lächeln, das ihm galt. Ein Kopfnicken. Irgendeine Geste der Zuneigung.
    Die Straße stellte sich als Täuschung heraus: Sie war nicht freundlich, weil sich in ihr keine freundlichen Häuser befanden, in denen freundliche Menschen lebten. Aber das merkte er erst, als sich die erste Tür des ersten unfreundlichen Hauses geöffnet hatte und ein großer, blonder Junge heraustrat. Der Junge stierte ihn an. Abschätzend, abweisend – unfreundlich.
    Er ging weiter. Die nächste Tür öffnete sich. Wieder trat ein blonder Junge heraus und starrte ihn finster an. Das nächste Haus, der nächste unfreundliche Blick eines blonden Jungen. So ging es weiter, bis er das Ende der Straße erreicht hatte und vor dem letzten Haus stand. Er hoffte so sehr, dass sich wenigstens hier die Tür öffnen und ihn ein freundliches Gesicht anblicken würde. In Gedanken sagte er sogar zu sich: Bitte kein unfreundlicher Junge!
    Dann öffnete sich die Tür, und tatsächlich war es diesmal kein blonder Junge, der ihn mit beinahe tödlichen Blicken durchbohrte. Es war ein Mädchen. Ein wunderschönes, dunkelhaariges Mädchen, das aus dem Haus trat und ihn mit ausdruckslosen Augen anblickte. Weder freundlich noch abweisend oder gar bösartig. Sie schaute einfach nur und spitzte dabei ihre vollen, roten Lippen.
    â€žKüss mich, Dickerchen!“, säuselte sie.
    Es störte ihn zwar, dass sie ihn Dickerchen nannte, aber der Verlockung ihrer blutroten Lippen konnte er nicht widerstehen.
    Er trat ganz nahe an sie heran, stellte sich auf die Zehenspitzen und schloss voll freudig-aufgeregter Erwartung die Augen.
    Ein weiches, warmes Lippenpaar presste sich auf seines, und sofort durchfuhr ihn ein wohliger Schauer. Plötzlich, inmitten des wunderbarsten und aufregendsten Kusses, spürte er, wie sich eine gallertartige Masse widerwärtigen Geschmacks in seinem Mund ausbreitete. Speichelreste aus lauwarmer Blutwurst, glitschigen Heringen und schwabbeligen Pilzen umlagerten seine Zunge. Angeekelt riss er die Augen auf – und starrte in hämisch blickende Schweinsaugen. Das Schwein saugte grunzend an seinen Lippen, lutschte auf seiner Zunge herum, leckte ihm anschließend schmatzend über die Augen, die Nase, die Wangen, um dann mit einem schnalzenden Geräusch abermals kräftig in seinen Mund hineinzustoßen. Er stand einfach nur da, mit hängenden Armen und steifen Beinen, und versuchte die Übelkeit, die ihm bereits bis zum Kinn stand, zu unterdrücken.
    Die großen, blonden Jungen klatschten laut in die Hände, riefen ihm fröhlich zu, feuerten ihn an: „Dickerchen, super Schweineknutscher, weiter so, knutsch die fette Sau!“
    An dieser Stelle verlor er

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