Alicia II
mehrmals kurz dagewesen. Ich hinterließ eine Nachricht für sie.
Ich grübelte viel über unseren Ausflug zum St. Ethel-Camp.
Manchmal bedauerte ich alles, was sich dort ereignet hatte, manchmal bedauerte ich nur einen Teil der Ereignisse, und immer bedauerte ich diese letzten Augenblicke, als ich sah, wie Rosalie fortgeführt wurde. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, suchte ich Kontakt mit jemandem aufzunehmen, der mir sagen konnte, was mit Rosalie geschehen war. Schnell fand ich heraus, daß es keine Möglichkeit gab, diese Information auszuschnüffeln. Kein einziger Beamter sprach es mir gegenüber je aus, daß die Sache unter Geheimhaltung fiel, aber es war klar, daß sie es tat. Besonders argwöhnisch machte es mich, wenn ich bei meinen Nachforschungen angeben sollte, wer ich sei und wieso ich mich für eine Polizeiaktion interessiere, die eine Ausgemusterte betreffe. Einmal erkundigte ich mich, ob sie in die Erneuerungskammer geschickt worden sei. Mein Gesprächspartner schien die Frage als Beleidigung aufzufassen, als ein Thema, das höfliche Menschen gar nicht erst anschneiden. Das war eine Haltung, der ich früher schon begegnet war.
Ich hätte gründlichere Nachforschungen über Rosalies Verschwinden anstellen können, aber mit dem Eintritt Pierre Madlings in mein Leben wurde meine ganze Welt auf den Kopf gestellt.
2
Pierre Madling war interessant anzusehen, und zwar auf die Weise, wie besonders unattraktive Menschen interessant sind.
Er war klein mit schmalen Schultern und enger Brust über einem nicht dazu passenden Kugelbauch und Spindelbeinen. In den Zeiten, als Birnen reichlicher vorhanden waren, hätte man ihn birnenförmig genannt. Trotzdem hätte er mit diesem Körper immer noch fabelhaft ausgesehen, wäre sein Gesicht nicht wirklich abstoßend gewesen. Ständig tränende Augen trieben unter schweren Wolken von dicken schwarzen Augenbrauen dahin. Seine Nase, rötlich gefärbt und von der Form eines Ballons, aus dem ein Teil der Luft entwichen ist, deutete auf Alkoholismus hin, eine so gut wie ausgestorbene Krankheit. Seine Lippen waren dünn, obwohl alles andere in seinem Gesicht verlangte, daß sie dick seien. Ein komischer weißer Fleck an der Spitze seines Kinns sah aus wie die Schminke eines Clowns, war aber ein Hautfehler. Sein Haar war gewöhnlich ungekämmt, und obwohl es echt war, wirkte es oft wie eine Perücke. Er war in den Fünfzigern, und im Gegensatz zu den meisten Leuten der heutigen Welt sah man es ihm auch an.
Ich hatte in einem Straßencafe gesessen und ein bitteres Gebräu getrunken, von dem behauptet wurde, es schmecke wie Espresso. Plötzlich wurde mir bewußt, daß dieser kleine, fette Mann an meinem Tisch stand.
»Ich werde mich zu Ihnen setzen, Sir«, sagte er. »Sie gestatten doch?«
Ich wies auf den Stuhl neben mir.
»Danke.« Er nahm Platz. »Bestellen Sie niemals den Espresso.«
Aus irgendeinem Grund wollte ich ihm nicht die Wahrheit sagen.
»Warum nicht? Ich trinke ihn recht gern.«
»Das ist ausgeschlossen. Er schmeckt wie der Urin eines alten Affen. Erlauben Sie mir, etwas anderes zu bestellen.«
Er nahm mein Mokkatäßchen und schüttete den Inhalt mit kavaliersmäßiger Geste auf die Erde eines in der Nähe stehenden Blumentopfes. Ich erwartete, die Blätter auf der Stelle welken zu sehen. Er gab mir die Tasse zurück. Auch wenn ich den Kaffee verabscheute, nahm ich ihm seine Einmischung übel. Er winkte einem Kellner mit diesem Schwung, der sofortige Bedienung verlangt, und sagte: »Ich bin Pierre Madling. Ich tue nichts Nützliches in dieser Lebensspanne, denn nach zwei früheren, die voller Aktivität waren, habe ich
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