Alicia II
der Menschheit im begrenztesten Sinn wirkt. Menschheit als eine Gruppe gesehen, die die segensreichen Taten solcher großen Männer verlangt. Ach, Scheiße, Voss, bring mich zum Schweigen! Ich will dich nicht angreifen. Gott, es tut mir so leid, und dabei habe ich gesagt, wir sollten das Entschuldigen nicht als Waffe einsetzen. Und doch will ich es genau so benutzen. Ich muß gehen.« Sie schritt über den Platz. Die Menge schien sich instinktiv vor ihr zu teilen. Alicia war schon auf der anderen Seite angelangt, als die Masse sich wieder zusammenschloß und mir den Blick verwehrte. Als ich – viel zu spät – versuchte, ihr zu folgen, schlossen sich die Reihen verschwörerisch, so daß ich nicht ungehindert hindurch konnte.
21
Ich wanderte lange Zeit durch die merkwürdig belebten Straßen des St. Ethel-Camps, bevor es mir dämmerte, daß Alicia nicht die Absicht hatte, heute nacht zu mir zurückzukehren, daß ich hier gestrandet war, ohne auch nur einen Platz zum Schlafen zu haben. Es gab nur einen Ort, wohin ich gehen konnte, und das war Rosalies Kirche.
Der Innenraum war dunkel. Das bißchen Licht, das durch die kleinen Fenster einfiel, schuf Schatten, die nichts ähnelten, was ich zuvor in dieser Kirche gesehen hatte. Plötzlich gingen die Lichter um die St. Ethel-Statue an. Ohne unterstützende Beleuchtung aus anderen Teilen des Raums sah die Statue geheimnisvoll aus.
»Ich hatte Sie nicht erwartet, Mr. Geraghty.«
Ich erschrak. Im ersten Moment dachte ich, nun habe die Statue tatsächlich gesprochen. Aber ich erkannte die Stimme als die Rosalies.
»Ich dachte, Alicia könnte hier sein«, antwortete ich, nicht sicher, in welche Richtung ich sprechen sollte.
»Sie hat Sie allein gelassen, ist Ihnen davongelaufen?«
»Ja.«
»Das ist ihre Gewohnheit. Sie ist nicht völlig stabil.«
»Sagen Sie – gibt es hier ein Hotel oder so etwas, wo ich die Nacht verbringen kann?«
»Gehen Sie zum Kommissar. Er wird ein Zimmer für Sie finden. Ich glaube, er hat ein Gästehaus. Zu einer anderen Zeit würde ich Ihnen ein Zimmer hier in der Kirche anbieten, aber heute nacht geht das nicht.«
»Schon gut. Danke.«
Ich wollte gehen.
»Ich nehme an, daß Sie sich uns nicht anschließen wollen«, sagte Rosalie.
»Haben Sie geglaubt, ich würde es tun?«
»Eigentlich nicht. Ich gehörte nicht zu denen, die sich für Sie verwandten.«
»Wer hat sich für mich verwandt?«
»Alicia natürlich. Sie wünschte sich, daß Sie sich uns anschlössen. Und es gab noch andere. Andere, die mir immer noch raten, erst einmal abzuwarten.«
»Vergeuden Sie Ihre Zeit nicht damit.«
»Genau das, was ich selbst denke. Aber Ihre Freunde, Ihre Anhänger sind anderer Meinung. Beinahe wünschte ich, Sie wären bereit. Ich könnte Sie gerade jetzt brauchen.«
»Warum gerade jetzt?«
»Man wird uns angreifen. Ich glaube nicht, daß wir siegen. Wenn Sie so gut sind, wie behauptet wird, könnten wir vielleicht siegen.«
»Davon glaube ich kein Wort.«
»Jenseits der Straße ist ein Park. Setzen Sie sich dorthin und passen Sie auf. Leben Sie wohl, es war mir eine Freude, Sie kennengelernt zu haben, Held. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder.«
»Das weiß man nie im voraus.«
»So ist es. Oh, wenn Sie Alicia wiedersehen …«
»Ja?«
»Sagen Sie ihr bitte, ich hätte keine andere Wahl gehabt.«
Ich ging auf die Türe zu, dann blieb ich noch einmal stehen.
»Es gibt immer eine andere Wahl, Rosalie.«
»Vielleicht für Sie, Held.«
Ich zuckte die Schultern und nickte, überzeugt, daß Rosalie meine Gesten sehen konnte, obwohl ich an einer dunklen Stelle des Raums stand. Ohne einen Blick zurück auf die Statue verließ ich Rosalies Kirche und fand die Bank, die sie erwähnt hatte. Als ich mich niedersetzte, sah ich, daß Botschaften in das Holz geschnitzt waren
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