Alicia II
buchstäblich in den Weg oder zumindest in den Weg, den ich gehen würde, wenn ich mich entschloß, aus dem Eingang aufzutauchen. Natürlich hat Triplett keine Ahnung, wie tief – nein – wie weit meine Neigung für dich geht. Er dachte, wenn er mich schickte, werde alles ganz natürlich und harmlos wirken – aber so kann es auch nicht gewesen sein, denn dann hätte er mich informiert, daß du da sein würdest. Nein, er muß gewußt haben, was er tat, der Bastard. Wie dumm ich war, ich hätte einfach im Schatten bleiben und dich vorbeigehen lassen sollen. Dieser Bastard! Madling hätten sie so und so erwischt, ich brauchte nicht hineinverwickelt zu werden. Besonders hineinverwickelt wurde ich eigentlich auch nicht. Ich bin überzeugt, Triplett wird sich beschweren, ich sei eher ein Hindernis als eine Hilfe gewesen. Besonders weil Richard gefangen wurde und zweifellos schon auf dem Weg ins Beinhaus ist. Triplett und Richard sind seit Jahren ein Team gewesen. Manche behaupten, sie seien einmal ein Paar gewesen – obwohl, das weiß der Himmel, sie sich nicht mehr viel Zärtlichkeit erwiesen. Möchtest du irgend etwas? Etwas zu trinken? Eine angenehme Person zum Unterhalten? Du siehst schrecklich aus.«
»Tut mir leid. Mir geht es gut. Wirklich. Sprich weiter.«
»Klar, ich kann ganz neue Ebenen der Selbstzerstörung erreichen. Ich will nicht weitererzählen. Ich habe dir die wichtigen Punkte genannt, du weißt alles über meine Killer-Instinkte. Verdammt, Voss, ich hasse dich! Ich habe recht. Wir haben recht. Arschlöcher wie Triplett und ich und die anderen, wir bringen Leute um, wir berauben Schurken wie Pierre Madling ihrer Unsterblichkeit. Sie verdienen es, wir haben das Recht, sie zu töten. Sie sind die eigentlichen Mörder, sie nehmen Körper in Empfang, als seien die Erneuerungskammern Läden, in denen sie sich einen neuen Anzug kaufen. Madling hat eine Existenz von fast dreihundert Jahren gehabt, dreihundert Jahre lang hat er seiner Umwelt seine glattzüngige Besserwisserei aufgezwungen. Sein Tod ist kein Verlust.«
»Du hast geweint.«
»Ja, habe ich. Ich hatte zuvor noch nie mit eigenen Augen gesehen, wie sie einen umbringen. Wenn du dich der Situation nicht gewachsen gezeigt hättest, hätte ich es auch diesmal nicht gesehen. Ich habe den Schauplatz gesehen, wenn es vorbei war, aber nie den Mord selbst und nie von so nahe. Ich hatte einen Teil der Mission zu erledigen, aber ich gehörte nicht zu einem Killer-Team. Ich habe …«
»Ich vermute, wenn du den Tod deiner Opfer nicht mit anzusehen brauchtest, dann war für dich alles in Ordnung.«
»Natürlich, verdammt noch mal! Ich brauchte den Hurensohn nicht erst kennenzulernen, ich brauchte nicht mit ihm zusammenzusein, ich brauchte keine Ahnung von seinem Charme zu haben …«
»Du hast gesagt, du mochtest Madling nicht.«
»Nein, das habe ich durchaus nicht gesagt. Ich sagte, sein Tod sei nicht wichtig, um genau zu sein, sein Tod sei kein Verlust, ich …«
»Du meinst, Pierre habe es verdient zu sterben?«
Alicia seufzte.
»Nein, wenigstens nicht in dem Sinn, daß er es wegen seines Charakters im allgemeinen oder so etwas verdiente. Ich wiederhole: Er war einer der ältesten überlebenden Erneuerten. Sein Tod ist nicht wichtig, einfach weil er so viele Lebensspannen gehabt hat. Es ist so, als ob man das älteste überlebende Mitglied des Stammes in aller Stille zu Tode bringt, und vielleicht stimmt sogar der alte Mann selbst für seinen Tod.«
»Pierre wollte nicht sterben.«
»Okay, such du dir eine Analogie aus. Ich – ja, okay, Pierre hat nicht für seinen eigenen Tod gestimmt, vielleicht glaubte er sogar, er verdiene zu leben, um weitere schale Bonmots in weitere langweilige Gespräche einzuwerfen oder um
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