Alicia II
seinem Sessel herum.
»Ich habe dir auch schon in Cleveland, gleich nach deiner Erneuerung, eine Reihe von Lügen aufgetischt. Voss, schon damals war ich einer der Ärzte, die Sabotage-Akte durchführen.«
»Du, Ben? Du hast es wirklich fertiggebracht?«
»Sieh mich nicht so an. Nein, deinen Körper habe ich nicht unter dem Messer gehabt. Dafür wäre ich nicht geschickt genug. Dein Arzt ist eine Art Genie gewesen.«
Es gefiel mir gar nicht, daß Ben meinen Saboteur offensichtlich bewunderte.
»Als mein eigenes Ende herannahte, bat ich darum, meinen Erneuerungsantrag auf Selbstmord – wie es genannt wird – zu ändern. Da ich wußte, daß mir nur noch wenig Zeit blieb, arbeitete ich um so engagierter mit dem Untergrund zusammen, auf medizinischem Gebiet und bei anderen Aufgaben, wo es nicht darauf ankam, daß ich ein schwacher alter Mann war. Man verließ sich innerhalb der Widerstandsbewegung bei bestimmten Schlüsselentscheidungen auf mich. Mir paßte es gar nicht, als ich feststellen mußte, daß ich ein Teil der Hierarchie geworden war. Um so glücklicher war ich, die alte sterbliche Hülle bald abschütteln zu können. Doch da erhielt ich den Befehl, mich erneuern zu lassen, und all mein Protest nützte mir nichts. Ich war richtig enttäuscht, daß es mir nicht gegönnt wurde zu sterben.«
»Du hast einen Befehl erhalten? Wie konnte dir irgendwer befehlen …«
»Nun, ich vergolde die Lilie, um meinen Entschluß logischer klingen zu lassen. Es war nicht gerade ein Befehl. Man sagte mir, ich sei zu wertvoll, als daß ich mir jetzt den Luxus des Todes gestatten dürfe. Man brauche mich, und wenn das Erneuern nicht ganz abgeschafft werden könne, seien sie glücklich, für einen Empfänger wie mich, der in dem neuen Körper fortfahren würde, sich für die Sache einzusetzen, ein Opfer zu bringen. Im Unterbewußtsein mag ich mir so einen Vorwand gewünscht haben, um weiterleben zu dürfen, wer weiß? Jedenfalls war es ein gutes Geschäft – ich würde einen Körper für mich nehmen und später viele sabotieren. Auch dieser Teil der Idee gefiel mir. Also widerrief ich meinen Widerruf des Erneuerungsantrags, nahm meinen Selbstmord zurück. Niemand aus Regierungskreisen erhob Einspruch, denn für sie war ich ebenso wertvoll, und dann starb ich, und man gab mir diesen tadellos funktionierenden jungen Körper. Ich benutzte meine offiziellen Verbindungen dazu, die Unterlagen über den Ausgemusterten einzusehen, dessen Körper ich geerbt hatte. Es war ein sympathischer junger Mann, der sich offenbar mit seinem Schicksal abgefunden hatte. Er hatte einen Vertrag mit einer Versicherung abgeschlossen und verbrachte die letzten anderthalb Jahre seines Lebens als Weltreisender in einer dieser Luxusfähren, die einem alle möglichen Zerstreuungen bieten.«
Ben nahm einen Schluck. Bis zu diesem Augenblick hatte er sein Glas in der Hand gehalten, als habe er es vergessen.
»Nach meiner Rekonvaleszentenzeit nahmen meine alten Rebellenfreunde Kontakt mit mir auf. Sie hätten große Pläne mit mir, sagten sie. Keine Sabotage mehr, das flaute langsam ab. Auf lange Sicht war damit nicht viel ausgerichtet worden.«
Ich grunzte. Ben lächelte.
»Verdammt viel Unannehmlichkeiten, das steht fest, aber wenig mehr. Ich wurde jetzt an die vorderste Front eines in großem Maßstab geplanten Angriffs auf die Gesellschaft geschickt. Anfangs bedeutete das nur, in Komitees zu sitzen und die besonders törichten Pläne, die sie aufstellten, mit etwas Vernunft zu impfen.«
Bens Finger wischten andauernd Feuchtigkeit von der Außenseite seines Glases ab.
»Dann setzte sich ein alter Freund mit mir in Verbindung, einer aus deines Vaters Zeit,
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