Alicia II
sagte sie. »Ich habe immerzu auf dich gewartet.«
»Du wußtest, daß ich kommen würde?«
»Ja, Ben hat angerufen.«
»Ich hatte keine Ahnung, daß ihr beiden so gute Freunde seid.«
»Das hört sich beinahe eifersüchtig an.«
»Ich meinte etwas anderes. Es ist einfach erstaunlich, daß jeder, der mir etwas bedeutet, zu einer Verschwörung gehört, von der ich ausgeschlossen bin.«
»Eine Verschwörung ist es eigentlich nicht. Und es ist auch nicht so erstaunlich, wie du vielleicht denkst. Jedenfalls scheinst du ebenso froh über unser Wiedersehen zu sein, wie ich es bin.«
»Natürlich bin ich froh. Ich dachte nur …«
»Dann küß mich, berühr mich, zieh den Hut vor mir, ich werde dir einen Hut holen …«
»Entschuldige.«
Ich küßte sie leicht auf die Wange, berührte kurz ihren Arm, führte pantomimisch das Ziehen eines Hutes vor. Sie lächelte.
»Eine intimere Begrüßung bekomme ich von meiner Tante, aber okay.«
»Ich glaube, ich erinnere mich an deine Tante. Von Spa her.«
»Sicher, sie besuchte uns dort einmal. Ich weiß noch, daß sie ausgedörrt und verrunzelt war. Du solltest sie jetzt sehen. Sie hat ein Gesicht wie eine Göttin und einen Körper, der in manchen Ländern als gesetzwidrig betrachtet würde. Natürlich haßt sie mich. Denn da sie in zwei vorhergehenden Lebensspannen schauderhaft ausgesehen hat, denkt sie nicht daran, sich den Anti-Erneuerern anzuschließen. Ben müßte in ein paar Minuten hier sein.«
»Woher kennst du Ben?«
»Du hast uns einander vorgestellt, weißt du nicht mehr?«
»Das zählt nicht. Du weißt, was ich meine. Zwischen euch beiden geht hinter meinem Rücken etwas vor. Warum sonst hätte er gewollt, daß wir uns hier treffen?«
»Reden wir darüber, wenn er hier ist.«
»Du weichst mir aus.«
»Verdammt richtig, Sportsfreund.«
»Na gut, dann weiche aus. Aber ich will dir erzählen, was ich erfahren habe.«
Wir saßen beieinander, und ich beschrieb ihr, was Ben mir in seinem Büro mitgeteilt hatte. Zu meiner Überraschung war Alicia gegen die Operationen.
»Das verstehe ich nicht, Alicia. Wenn sie erfolgreich sind, bedeutet das für uns ein gemeinsames Leben.«
»Sicher, wenn sie erfolgreich sind. Und was ist, wenn sie es nicht sind?«
»Das ist ein Risiko, das ich eingehen kann.«
»Ist es ein Risiko, das ich eingehen möchte? Hast du daran gedacht?«
»Nein. Offen gesagt, das habe ich nicht.«
»Das sehe ich. Schön, laß an dir herumschnipseln. Stirb. Ich werde weiterleben. Du wirst dann zu einer verwischten Erinnerung.«
»Vielleicht wäre das am besten so.«
»Vielleicht wäre das am besten so … Gott, du bist so edel. Du opferst dich. Du siehst dem Tod mit soviel Mut ins Angesicht.«
»Das ist es nicht.«
»Was dann?«
Ihr Fensterbild war noch das gleiche, doch es stellte eine andere Tageszeit dar. Eine Morgensonne schuf lebhafte Schatten auf den Berghängen, Wolken trieben vorbei und verschwanden im Fensterrahmen.
»Ich weiß es nicht. Es ist mehr als nur die Behebung eines körperlichen Schadens. Sogar mehr als mein Wunsch, mit dir ein normales Leben zu führen.«
»Mit mir gibt es so etwas wie ein normales Leben nicht.«
»Ich will keine Isolation mehr. Keine neue Enklave. Oder das Gefühl, zwischen zwei Welten zu stehen. Das Gefühl, die Begriffe, die dir und Ben wichtig sind, nicht richtig zu verstehen, den Sinn …«
»Sinn? Viele Leute würden Ben und mich als irrsinnig bezeichnen.«
»Ja, aber wenn das stimmt, möchte ich es erkennen können.«
»Vielen Dank.«
»Ich habe nicht gesagt, daß es stimmt, nur, daß ich mir wünsche, es erkennen zu können.«
»Bist du sicher, daß dahinter nicht etwas ganz Einfaches steckt, daß du dir zum Beispiel nur wünscht, etwas zu haben, an das du glauben kannst?«
»Kann sein. Aber ich halte es für etwas anderes oder doch für
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