Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alicia II

Alicia II

Titel: Alicia II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thurston
Vom Netzwerk:
wirk­te.
    Prü­fend leg­te er ei­ne Hand auf die Glas­schei­be und zog sie zu­rück, als ha­be er tat­säch­lich win­ter­li­che Käl­te ver­spürt.
    »Nun, Voss, das wä­re es«, sag­te er. »Die Missi­on kann durch­ge­führt wer­den. Du hast die not­wen­di­gen Fä­hig­kei­ten. Ent­we­der tust du es, oder du läßt es blei­ben. Die Pa­ra­me­ter sind klar, so­weit sie die Missi­on selbst be­tref­fen, aber ich kann dir kei­ne stich­hal­ti­gen Grün­de nen­nen, wes­halb du die Auf­ga­be über­neh­men sollst. Nicht ein­mal die gott­ver­damm­ten Ope­ra­tio­nen. Sie wer­den dei­ne Be­loh­nung sein, wenn du es tust, aber das ist kein Grund für dei­ne Zu­stim­mung, und ich glau­be, das weißt du selbst.«
    Ali­cia be­rühr­te mei­ne Hand. Sie woll­te ja nicht, daß ich mich nur ih­ret­we­gen ope­rie­ren ließ. Ich war mir nicht mehr si­cher, ob ich mich über­haupt ope­rie­ren las­sen woll­te. Es war mir in den letz­ten Mi­nu­ten un­wich­tig ge­wor­den. Ben wand­te sich vom Fens­ter ab und sah mich an, als wol­le er ei­ne Dia­gno­se stel­len. Ich rück­te auf mei­nem Ses­sel her­um, ich wand mich un­ter den Bli­cken der bei­den. Ich kam mir vor wie im Traum, mei­ne Ge­dan­ken schie­nen nicht mei­ne ei­ge­nen zu sein. Wie­der war ich in­mit­ten des Coo­lid­ge-Ne­bels, und das Licht­ge­schöpf be­fand sich in mir. Der Schmerz war der glei­che. Ich frag­te mich, ob es auf Ali­cia oder Ben ir­gend­ei­nen Ein­druck ma­chen wür­de, wenn ich hys­te­risch im Zim­mer auf und ab tob­te, wie ich es ge­tan hat­te, als ich aus dem Ne­bel kam und Sta­cy im Wald her­umjag­te. Ich ver­such­te mir vor­zu­stel­len, was sie wohl ge­dacht hät­ten, wenn sie da­bei­ge­we­sen wä­ren. Es ge­lang mir nicht. Ich hät­te mir nicht ge­wünscht, daß sie dort ge­we­sen wä­ren. In ge­wis­ser Wei­se wünsch­te ich auch nicht, daß sie hier wa­ren und mein Le­ben kom­pli­zier­ten. Wenn es mir nur ge­lun­gen wä­re, iso­liert zu blei­ben, wenn ich we­der Ben noch Ali­cia wie­der­ge­se­hen hät­te, dann wä­re ich nichts wei­ter als ein Raum­fah­rer auf Ur­laub ge­we­sen, der mit­nimmt, was die Hä­fen der Er­de ihm zu bie­ten ha­ben. Aber nein, auch dann wä­re es nicht mög­lich ge­we­sen. Ich hät­te im­mer noch Pi­er­re Ma­dling ster­ben se­hen müs­sen oder einen Men­schen sei­ner Art oder ir­gend­wen. Warum wa­ren die­ser in­di­vi­dua­li­sier­te Tod, die­se grau­en­haf­te Er­in­ne­rung an Pi­er­res ver­klin­gen­den Schrei und der Blick von oben auf sei­nen zer­schmet­ter­ten Kör­per und die ihn um­rin­gen­de Men­ge so­viel schmerz­li­cher, so­viel leb­haf­ter als die­se Ab­strak­ti­on des Mor­des, die Ben vor­schlug? Er sprach über die phi­lo­so­phisch ver­tret­ba­re Aus­lö­schung von ein, zwei, drei Mil­lio­nen, die See­len, Psy­chen, Ani­mas, Le­bens­kräf­te, Le­ben­s­prin­zi­pi­en wa­ren. Aber ir­gend­wie kei­ne Men­schen. Ich ver­such­te, mir die­se Mil­lio­nen von am Le­ben er­hal­te­nen Ge­hir­n­en in ih­ren ste­ri­len Be­häl­tern, um­ge­ben von Nähr­lö­sun­gen, vor­zu­stel­len, und ich sah in ih­nen jetzt nur noch Din­ge, wie Ali­cia es mir ge­ra­ten hat­te. Statt des­sen kehr­te die Er­in­ne­rung an Pi­er­res Tod zu­rück. Na­tür­lich dach­te ich nur des­halb wie Ben und Ali­cia, zwang mich, so zu den­ken, da­mit es mir leich­ter fiel, die Missi­on in Er­wä­gung zu zie­hen. An die­sem Punkt wur­de mir mit Ent­set­zen klar, daß ich ge­nau das tat: Ich zog die Missi­on in Er­wä­gung. Es war nicht aus­ge­schlos­sen, daß ich sie über­nahm. Es war nicht aus­ge­schlos­sen, daß ich den ma­gi­schen Mi­krostaub in ver­schie­de­ne Öff­nun­gen ei­nes Röh­ren­netz­werks streu­te. Daß ich zu ei­nem mör­de­ri­schen Sand­mann wur­de, der den Mil­lio­nen, die Bens Ar­gu­men­ten zu­fol­ge nichts an­de­res ver­dien­ten, als aus­ge­löscht zu wer­den, einen ru­he­vol­len Schlaf, einen schmerz­lo­sen Tod brach­te. Als mir klar wur­de, daß ich an das, was Ben so kalt »die Missi­on« nann­te, zu den­ken ver­moch­te, er­kann­te ich, daß die Mög­lich­keit be­stand, ich wür­de es tun. Die Mög­lich­keit. Ich woll­te es nicht tun. Aber die Mög­lich­keit

Weitere Kostenlose Bücher