Alicia II
nicht verstehe, wie die Bürokraten der Erneuerungskammer einen solchen Fehler hätten begehen können. Alle Fakten seien ihnen bekannt gewesen, sie hätten ihn niemals an einen so ungeschlachten Körper anschließen dürfen. Ihre Tüchtigkeit lasse mehr und mehr nach, das sagten alle. So quatschte er weiter und hatte nicht die geringste Ahnung, wie meine Abscheu vor ihm wuchs. Am liebsten hätte ich ihm auf der Stelle die Kehle durchgeschnitten und ihm seinen verdammten neuen Körper vor der Zeit genommen. Aber mir wäre dabei fast so zumute gewesen, als tötete ich Richard. Deshalb blieb mir nichts übrig, als dazusitzen und zu nicken und so zu tun, als stimme ich ihm zu, daß man ihm im Beinhaus einen bösen Streich gespielt habe, während man doch die Körper entsprechend dem Typ der zu übertragenden Seele auswählen müsse. Der Hurensohn, dachte ich immerzu, hätte er nicht wenigstens ein bißchen sympathisch sein können?«
Eine in ein Korsett eingeschnürte junge Dame ging an der Bank vorbei, hielt eine Sekunde inne und betrachtete Triplett und mich. Ich wußte, sie war eine Schauspielerin, die sich fragte, ob sie uns mit ihrer vorbereiteten Nummer unterhalten solle, und ich war heilfroh, als sie sich dagegen entschied und weiterging. Triplett hatte sie überhaupt nicht bemerkt.
»Nun unterrichtete ich Harry Longwood in den nächsten drei Tagen darin, Richards Körper zu benutzen. Er lernte schnell, aber ich machte Höllenqualen durch. Jedesmal, wenn er mir einen Arm um die Schultern legte, um sich bei den Übungen abzustützen, erinnerte ich mich daran, wie Richard mir so seine Zuneigung gezeigt hatte. Es war gar nicht viel Unterschied, ob Longwood den Arm um mich legte, um das Gleichgewicht zu bewahren, oder ob Richard mich an sich drückte. Gar kein Unterschied war bei dem, was ich empfand. Allmählich scheute ich mich vor jeder Berührung Longwoods, ich krümmte mich innerlich, wenn er die Hand nach mir ausstreckte. Manchmal, wenn meine Therapie besonderen Erfolg gehabt hatte, klopfte Longwood mir auf die Schulter. Dann haßte ich den Hurensohn richtig. Einer zufälligen Berührung auszuweichen, war eine Sache, und eine ganz andere war es, wenn die Berührung tatsächlich als ein, wenn auch flüchtiger, Sympathiebeweis gemeint war. Aber irgendwie ertrug ich es. Was ich selbst nicht verstand, war, warum ich mir soviel Mühe gab, ihm beizubringen, den Körper zu beherrschen. In dem Augenblick, als ich ihn sah, erkannte ich, daß ich ihn nicht töten konnte. Also warum machte ich weiter? Warum verschwand ich nicht einfach aus dem Louisville-Zentrum? Ich hatte jetzt Richards Körper gesehen, und nur aus diesem Grund war ich anfangs hergekommen. Ich hatte keinen Grund dazubleiben. Aber es wurde mir wichtig, daß Longwood, wenn er nun einmal in Richards Körper steckte, es lernte, richtig mit ihm umzugehen, obwohl mir völlig klar war, daß all meine Arbeit umsonst sein mochte. Der Bastard würde nach Seattle zurückkehren und seine Wampe über sein Zeichenbrett fallen lassen. Aber ich nahm die Arbeit auf mich, und ich tat sie gut. In drei Tagen, einer viel zu kurzen Zeit für ein Problem wie Longwood, kam er mit dem Körper sehr gut zurecht. Er hatte ausgezeichnete Kontrolle über alle motorischen Prozesse, und meine Vorgesetzten waren beeindruckt von dem Wunder, das ich vollbracht hatte. Sie sagten mir, sie hätten im Louisville-Zentrum Großes mit mir vor. Herrlich, ich sah mich schon an dieser falschen Identität festkleben, wie ich den Rest meines Lebens als Therapeut verbrachte, niemals geschnappt und obendrein am Ende noch erneuert wurde. Verdammt, Geraghty, weißt du, daß ich beinahe in Versuchung geriet? Der einzige Grund, warum ich nicht daran
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