Alicia II
sechsundzwanzig spendet, darf der Anteil der Ausgemusterten an der Gesamtbevölkerung bis auf – sagen wir – dreißig oder fünfundzwanzig Prozent sinken. Wie Sie sicher alle wissen, hat es oft Zeiten gegeben, in denen der Anteil unglücklicherweise unter diesem Wert lag. Die Kammer hat ständig Mühe, die Perioden der Dunkelheit kurz genug zu halten, daß die frisch Erneuerten bei ihrer Erweckung keine übermäßigen Orientierungsprobleme haben. Deshalb muß die Klasse der Ausgemusterten dazu erzogen werden, ihr Schicksal zu akzeptieren, sich klarzumachen, daß ihre Einstufung als der Unsterblichkeit unwürdig nicht ausschlaggebend ist. Das ist eine der Ideen, die all die Jahre ein Problem dargestellt haben. Nein, den Ausgemusterten muß der Glaube eingeprägt werden, daß jedes menschliche Wesen seinen eigenen persönlichen Wert hat.«
Sie sprach den letzten Satz mit erhobener Stimme. Dann forschte sie in den Mienen der Teilnehmer nach Reaktionen.
»Ausgemusterte müssen ermutigt werden, ihr Leben voll auszuleben. Das ist so offensichtlich, so lebensnotwendig, so humanistisch. Programme wie die Versicherungspolicen und die Luxusversorgung haben sich insofern als sehr nützlich erwiesen, als sie bei vielen Ausgemusterten eine Anpassung an ihre persönliche und gesellschaftliche Situation erzeugten. Aber es wird mehr gebraucht. Dringend! Wie Sie sicher wissen, muß der Stau an Seelen, die auf die Erneuerung warten, beseitigt werden. Mein Programm stellt einen Schritt in diese Richtung dar. Sein Ziel ist nicht so sehr, neue Lösungen zu finden, neue Pläne aufzustellen, die Aufmerksamkeit der Ausgemusterten abzulenken – sondern ihnen eine positivere Einstellung zu dem sie erwartenden Schicksal beizubringen. Die in letzter Zeit besonders hervorgetretene Gewalttätigkeit der Untergrund-Aktionen …« – dabei sah Cheryl mich an – »… ist in meinen Augen ein Beweis für das Versagen früherer Public-Relations-Programme. Sie tendierten alle dazu, die Intelligenz der Ausgemusterten zu unterschätzen, und boten Information in zu simpler Form an. Die neuen Programme, für die neue Verkäufer und Medienleute in den eben besichtigten Hörsälen ausgebildet werden, wenden sich an die ausgemusterte Jugend in einem früheren Stadium und bieten dieser früher ignorierten Altersgruppe besondere Vergünstigungen an. Meine Theorie ist: Wenn man junge Leute nach dem Programm Unbeschwerter Abschied erzieht, sinkt die Wahrscheinlichkeit, daß sie später rebellieren. Einige meiner reaktionäreren Kollegen haben es radikal genannt, daß mein Plan mit allem Nachdruck darauf besteht, ausgemusterte Kinder sollten eine schönere, erfülltere Jugend erleben als Kinder, die sich für das – schließlich in weiter Zukunft liegende – Erneuern qualifiziert haben. Ausgemusterte Kinder sollen im Gegensatz dazu lernen, sich mit der nahen Zukunft zu befassen, mit der Zeit, wenn sie ihre Körper in der Erneuerungskammer abliefern müssen.«
Wieder machte sie eine Pause und versuchte die Wirkung ihrer Worte an unsern Gesichtern abzulesen. Es mochte einer der Gründe für die Organisierung dieser Besichtigung gewesen sein, festzustellen, wie diese Ideen bei einer Gruppe von Außenseitern ankamen. Stacy und ich konnten sogar die Kontrollgruppe sein, wenn ich die Häufigkeit in Betracht zog, mit der Cheryl Blicke in unsere Richtung schickte. Soweit ich den Rest der Gruppe zu beurteilen vermochte, gingen ihnen Cheryls Ausführungen glatt hinunter. Es war aufreizend, wie sie in einem fort
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