Alicia II
Stadium der Führung hielten wir mehrmals an. Ich kann mich nicht einmal mehr erinnern, in welcher Reihenfolge die Unterbrechungen kamen, so verzweifelt dachte ich über die aufgetretenen Schwierigkeiten nach. Jedesmal, wenn ich hochblickte, stellte ich fest, daß die beiden Schatten nicht zu mir hinsahen und versuchten, den Eindruck interessierter Teilnehmer an der Besichtigung zu erwecken. Es gelang mir jetzt ebenso wenig wie früher, die beiden auseinanderzuhalten.
Ich wußte, es gab Unterschiede. Zum Beispiel hatte der eine ein Muttermal auf der Wange, der andere hatte die Gewohnheit, die Schultern hochzuziehen. Aber sobald ich wegsah, konnte ich mich nicht mehr erinnern, welcher von ihnen welches Merkmal besaß, und manchmal dachte ich, der mit dem Muttermal habe auch die Gewohnheit, mit den Schultern zu zucken, oder beide hätten Muttermale und beide litten unter diesem Tick. Sie hatten etwas an sich, das alle Unterschiede selbst bei genauer Betrachtung verwischte, selbst wenn man wußte, daß sie einem nachspionierten. Ich spürte, wie sie darauf warteten, daß ich einen entscheidenden Zug tat.
In meiner Phantasie entstand ein Bild, wie sie mich von beiden Seiten mit muskulösen Armen festhielten, mich fortzerrten, mich in irgendeine Beinhaus-Grube stießen.
Gleich zu Anfang unserer Tour bekamen wir die Anlagen zu sehen, wo die gerade gestorbenen oder bald sterbenden Leute eingeliefert wurden, deren Seelen für das Erneuern extrahiert werden mußten. Ich weiß noch, daß ich dachte, wenn man die Seelen jetzt in die Lagergewölbe bringe, würden sie vielleicht zu meinen Opfern gehören. Cheryl sagte, es sei uns nicht gestattet, die Operationsräume zu sehen, in denen die Seelen-Extraktionen stattfanden. Sicherheitsgründe verböten das Bekanntmachen jener Phasen des Erneuerns, aus denen ein Spion Schlüsse auf das Funktionieren des Verfahrens ziehen könne. Ich hatte das Gefühl, daß die Schatten zu mir hinsahen, zwang mich aber, ihren Blick nicht zu erwidern.
Auf einer anderen Ebene zeigte man uns einige der Vorbereitungen, die an den Wiederverwertungskörpern getroffen wurden, bevor man sie in die – ebenfalls geheimen – Operationsräume brachte, wo die Seelenübertragung stattfand.
Ich sah mit einer Faszination zu, die kein anderer Teil der Führung in mir hervorrief. Obwohl der Absorber mir sehr detaillierte Informationen über die Behandlung der Wiederverwertungskörper geliefert hatte, war die Wirklichkeit etwas ganz anderes als die wissenschaftliche Beschreibung. Ich erschauerte, als ich so viele tote Körper durch so viele arbeitende Hände gehen sah. Daß ich im Gegensatz zu Cheryls sorgfältig modifizierter offizieller Version genau wußte, was dort vor sich ging, machte meine Beobachtungen um so quälender. Ich verabscheute die Techniker am Anfang der Kette dafür, daß sie in die Haut der Körper ihre verdammten Chemikalien rieben, die die Wirkung eines zeitlich begrenzten Einbalsamierungsmittels hatten. Ihre Handbewegungen waren so behutsam, waren Liebkosungen so ähnlich. In dieser Minute hätte ich alle medizinischen Assistenten umbringen können, die die Körper kneteten, um die inneren Organe zu untersuchen, sie für andere Manipulationen aufrichteten, sie mit Symbolen in Leuchtfarben beschrifteten, als seien sie Fleischbeschauer, die einwandfreies Schlachtvieh stempelten.
Ich haßte den dürren, ausgemergelten Mann, dessen Aufgabe es war, nachzuprüfen, ob alle Spuren des früheren Besitzers eines Körpers, alle Überreste seiner Seele erfolgreich
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