Alicia II
Reaktion geführt hatten –, und dazwischen versuchte sie, mich zu trösten.
»Ist doch alles in Ordnung. Du hast heute abend eine Men ge durchgemacht. Und wahrscheinlich hast du dich noch nicht ganz angepaßt. Das passiert oft, habe ich gelesen.«
»Gelesen?«
»Ich lese eine Menge Berichte aus – aus deiner Welt. Ich glaube, aus Neid. Ich weiß nicht, sie sind viel interessanter als die, mit denen man uns füttert. Denn es sind deine Leute, die alle für uns bestimmten Publikationen besorgen. Unsere Kunst ist das einzige, was für mich lebenswichtig ist. Hier, was spürst du jetzt?«
Sie küßte mich und öffnete mir den Mund mit Bewegungen ihrer Lippen und bestimmten Manövern ihrer Zunge. Ihre Zunge hatte bei ihren Erkundungen in meinem Mund eine phänomenale Reichweite. Nach dem Kuß fragte Bru: »Ist es jetzt besser?«
»Das hängt davon ab, was du meinst. Es hat mir gefallen, es war wunderbar, aber mein Körper will einfach nicht.«
»Du bist zu nervös, oder vielleicht bist du ein bißchen zu betrunken. Nimm’s leicht.«
»Ich wünschte, ich könnte es leichtnehmen. Aber ich werde zu sehr an zu viele frühere Nächte erinnert, als ich – als ich, nun, als ich ihn für Selena nicht hochbekommen konnte. Sie war lieb und nett, genau wie du. Und aus Sex machte sie sich sowieso nicht viel. Aber das Problem war schlimmer, als sie sich vorstellte. Ich spürte die beginnende Erregung, und ich meinte, es gebe keine Hindernisse für mich, ich würde so aggressiv sinnlich werden, daß ich nicht einmal mehr meine Technik kontrollieren könne. Dann geschah immer etwas, als stehe ich plötzlich außerhalb meines Körpers und sehe zu, wie mein törichtes, hitziges, animalisches Ich diesen grotesken, dumpf motivierten Geschlechtsakt ausführte. Es kam mir so dumm vor, für einen Drang, wie ihn auch ein Rhesusaffe oder ein Walroß oder alle die Laboratoriumsmäuse in der Enklave hatten, nach emotionalen Vorwänden zu suchen. Ich dachte –«
»Hör auf, das ist mir alles zu kompliziert. Vielleicht ist es besser, wenn du nicht darüber sprichst. Entspanne dich einfach, und ich …«
»Aber ich kann mich nicht entspannen! Ich – ich habe mich auf diese Abwechslung von meinem früheren Leben mehr gefreut als sonst irgendwer. Ich dachte, mein – mein Problem sei mit dem neuen Körper gelöst. Die Vorfreude auf die Erneuerung war für mich in meinem letzten Lebensdrittel das Wichtigste. Ich konnte nie …«
»Still, still. Jetzt brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen. Vergiß das alles. Du bist …«
»So einfach ist es nicht, Bru. Es ist eben nicht so einfach. Verstehst du nicht, was es bedeutet?«
»Wie sollte ich? Wie …«
»Es bedeutet – es bedeutet, welchen Körper ich auch erbe, wie gesund er nach seinen äußeren Merkmalen auch ist, diese verschrobene sexuelle Einstellung wird mir immer bleiben. Es bedeutet, daß einen das Erneuern nicht ändert, daß es mich nicht ändert. Ich bin immer noch derselbe. Nichts wird sich jemals ändern, nichts wird sich jemals bessern, nichts –«
Bru machte meinem Toben durch einen Kuß ein Ende. Es war ein zärtlicher, beruhigender, beinahe keuscher Kuß.
»Ich finde«, erklärte sie, »daß du dümmer bist als die meisten Erneuerten, die ich je gesehen habe.«
Ich lachte. Ihre freundliche Art verringerte allmählich meine Nervosität.
Nach ein paar Minuten versuchten wir es noch einmal. Und dann wieder, und jedesmal war ich so erfolglos wie beim ersten. Bru wandte die meisten der traditionellen Methoden der Stimulierung an, aber mir war keine Reaktion zu entlocken.
Schließlich wurden wir uns einig, daß weiteres Herumprobieren keinen Zweck habe.
Ich schlief ein. Als ich erwachte, schien Tageslicht durch die nadelspitzengroßen
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