Alicia II
Probleme. (Ich unterbrach sie mit der Frage, welche Regierung heutzutage an der Macht sei. Sie antwortete: »Die übliche. Ist es nicht immer die übliche?« Ich versuchte, mich an eine Zeit zu erinnern, als die politische Struktur der Welt für mich noch soviel bedeutet hatte, daß ich mir wünschte, sie zu erforschen. Es war mir immer klar gewesen, daß es eine Menge Leute gab, deren Aufgabe das Regieren war, anonyme Leute, die die Arbeit auf sich nahmen, weil sie irgendwie notwendig war, und ich hatte mir nie viel Gedanken darüber gemacht, wer sie waren und was sie taten.) Sobald Alicia sich endgültig qualifiziert hatte, wurde sie auf ihren eigenen Wunsch hin gleich in den Außendienst geschickt. Sie hatte hauptsächlich deswegen mit Ausgemusterten arbeiten wollen, weil sie bei ihrem Test nur ganz knapp durchgeschlüpft war. Von den Spezialisten für soziale Probleme in der Kartei der Agentur legten nicht viele Wert darauf, in direkten Kontakt mit Ausgemusterten zu kommen, deshalb hatte Alicia viele und unterschiedliche Möglichkeiten. Sie setzte mir auseinander, wie schwierig es sei, die Ausgemusterten emotional zu erreichen, besonders jene, die gegen das System aufbegehrten, und ich dachte dabei, daß ich mich seit vielen Jahren in keiner Gesellschaft so wohl gefühlt hatte wie in ihrer. Nicht einmal in der Bens und ganz gewiß nicht in der Stacys, der mir zu oft auf die Nerven ging und unberechenbar war. Tatsächlich gab es nur einen Vergleich, und das war mein Zusammensein mit Alicia während meiner Rekonvaleszentenzeit.
Das Essen kam. Alicia nahm es dem Etagenkellner vom Tablett und sagte ihm, sie wolle sich nicht von ihm bedienen lassen. Sie schlang das Steak und den Salat in sich hinein. Ich konnte mir vorstellen, daß sie soziale Probleme auf die gleiche Art in Angriff nahm. Eigentlich hätte ich über so etwas hinwegsehen müssen, aber es machte mir richtig Freude, wenn sie ein heruntergefallenes Salatblatt vom Schoß nahm, es schwenkte, um ein Argument zu unterstreichen, es in den Mund schob und beim Kauen auf meine Antwort wartete. Als sie mit dem Essen fertig war, schien sie mit neuer Energie geladen. Sie ging im Zimmer umher, sammelte unser Geschirr und unsere Bestecke ein und stapelte alles auf dem Tablett. Sie trug ihr Weinglas von einem Platz zum anderen, stellte es ab, entfernte sich von ihm, kehrte zu ihm zurück, ergriff es und trug es an eine andere Stelle, wo sie es von neuem abstellte.
Nach mehreren Minuten hektischen Bewegens setzte sie sich plötzlich hin und verfiel gleich darauf in eine seltsam melancholische Stimmung. Sie bat um mehr Wein, und als ich ihn ihr ins Glas goß, berührte sie zärtlich meinen Handrücken.
Aber es war die Zärtlichkeit einer Nichte, und deshalb beunruhigte sie mich nicht. Du bist okay, Onkel, schien sie mir mit der Geste zu sagen, auch wenn du das Denken als schlechte Angewohnheit aufgegeben hast. Ich versuchte, das Gespräch über ihre Arbeit wieder in Gang zu bringen, aber sie brachte kein Interesse mehr dafür auf. Dauernd unterbrach sie mich mit der Frage, wie spät es sei, obwohl die Uhr auf der Kontrolltafel deutlich sichtbar war. Mir wurde langsam ein bißchen schwummerig, da ich schneller getrunken hatte als sie.
Schließlich konnte ich dem Drang, das Badezimmer aufzusuchen, nicht mehr widerstehen. Als ich wiederkam, war sie eingeschlafen. Ihren Körper hatte sie merkwürdig zusammengerollt, Kopf und Rumpf in eine andere Richtung als die Beine gedreht. Dicht über ihrem Knöchel war eine kleine Verletzung. Einer ihrer Schuhe war ihr von der Ferse gerutscht und baumelte wie ein Ziergegenstand von ihren Zehen. Ich nahm ihn weg und stellte ihn auf den Fußboden. In meiner
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