Alien 4: Die Herren der Erde
Frachtschiff. Hier liegen nur
Frachter, wußtest du das nicht?«
Klein-Ilia schüttelte den Kopf.
»Augenblick… hier!« Die Frau beugte sich über
ein Armband an ihrem natürlichen Arm und drückte mit den
zierlichen Metallgliedern des anderen ein paar Knöpfe. »Sie
liegt in Bucht West 15.«
»Vielen Dank.«
»Ist das nicht ein Einmann-Schiff? He, warte doch
mal!«
Aber Klein-Ilia war schon davongestürmt. Völlig
außer Atem verlangsamte sie eine Minute später ihr Tempo.
Bei jedem Schritt verspürte sie Seitenstiche. West 15 also. Aber
sie wußte nicht, wo das war. Vielleicht konnte sie es in
Erfahrung bringen, wenn sie zum Abfertigungsgebäude
zurückkehrte…
Doch hatte man dort schon Alarm geschlagen? Bestimmt –
dafür hatte Ilia sicher schon gesorgt. Zudem war ihr Tolon auf
den Fersen, und außerdem müßte sie erst mal den Weg
vom Flugfeld zurück zum Terminal finden.
Verzweifelt fragte sie Box: »Was soll ich tun?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich keine Maschine bin, die Entscheidungen treffen kann
– abgesehen von der Auswahl geeigneter Texte zur Unterhaltung.
Und selbst das nur in beschränktem Umfang.«
»Ich will nur hier aus diesem Irrgarten heraus, aber ich
weiß nicht wie.«
»Ich verfüge über dieses Wissen.«
»Woher?« fragte Klein-Ilia verblüfft.
»Von der Frau. Von Spider.«
»Dann zeig mir den Weg zu ihrem Schiff.«
Es war ein weiter Weg. Zweimal mußte Klein-Ilia sich vor
Menschen verbergen, die ihr entgegenkamen. Sie war am Ende ihrer
Kraft. Die Versuchung, sich einfach in irgendeinem Versteck auf dem
Boden auszustrecken und zu schlafen, war fast übermächtig.
Aber dann fiel ihr wieder ein, daß Spider gesagt hatte, sie
würde kurz nach Tagesanbruch abheben. Diese Frau war ihre
einzige Hoffnung, und während Klein-Ilia sich weiterschleppte,
versuchte sie sich selbst einzureden, daß Spider sie auf jeden
Fall mitnehmen würde.
West 12. West 13. Die beiden kleinen Liegebuchten waren leer,
ebenso die nächste. Klein-Ilia ging schneller, und sie
verspürte heftiges Herzklopfen.
West 15. Das Einmann-Schiff, ein länglicher Zylinder, der
sich im letzten Drittel verjüngte, reckte die Nase aus den
umliegenden Strahlbarrieren: der Kelch inmitten der Blütenkrone
einer immensen Metallblume. Es gab keine Rampe, doch hing am Schott
eine Leiter. Im Innern führte ein zweite Leiter durch eine enge
Röhre zur Nase des Schiffes. Das Schott an ihrem Ende stand
offen, und als Klein-Ilia sich ihm vorsichtig näherte,
hörte sie Geräusche wie von einem Gerangel, ein Ächzen
und Keuchen, das kurz aussetzte und dann erneut ertönte. Sie
zögerte, erinnerte sich wieder daran, wie sie einmal
unaufgefordert Ilias Räume betreten und ihre Mutter auf dem Bett
mit Tolon vorgefunden hatte – beide nackt. Zuerst hatte
Klein-Ilia geglaubt, sie kämpften miteinander, aber dann sah
sie, daß ihre Mutter die Steuereinheit Tolons in einer Hand
hielt und mit gekrümmten Fingern darauf herumspielte,
während sie die andere in die kräftigen Schultern ihres
Dieners gekrallt hatte, dessen Hintern zwischen ihren geöffneten
Schenkeln zuckte. Klein-Ilia war für ihr unerlaubtes Eindringen
hart bestraft worden. Diese Erfahrung hatte in ihr den
Entschluß geweckt, davonzulaufen, und sie war darin
bestärkt worden, als Box ihr das über die jährlichen
Hypädie-Be-handlungen sagte.
Von oben drangen gedämpfte, unverständliche Worte zu ihr
in die enge Röhre, gefolgt von erneutem Zerren und Keuchen.
Ängstlich spähte Klein-Ilia über den Rand des
Schotts.
Spider lag mit gefesselten Armen und Beinen unter einer Konsole,
und ihre Augen über dem Knebel im Mund blitzten wild.
Klein-Ilia befreite sie von dem Knebel. Nachdem Spider ihrer Wut
mit zahlreichen Flüchen Luft gemacht hatte, erzählte sie
die ganze Geschichte. »Der Kerl kam hierher und fragte mich aus
– in meinem eigenen Schiff. In meinem Schiff!«
Wieder fluchte sie kräftig. »Irgendwas stimmte nicht mit
ihm. Hatte so seltsame Metallplättchen an den Schläfen.
– Vorsichtig!«
Klein-Ilia löste den Draht um Spiders Handgelenke und
befreite auch ihre Füße. »Das war Tolon. Er ist ein
Krimineller, den Ilia für sich gekauft hat. Da ist etwas in
seinem Kopf, meine Mutter kann ihn steuern. Er tut dann alles, was
sie will.«
Spider rieb sich die roten Druckstellen an ihren knochigen
Gelenken. »Ihr laßt auf dieser merkwürdigen Welt
tatsächlich noch Sträflinge private Aufgaben
erledigen?«
»Mich hat er
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