Alien Earth - Phase 1
mich vor euch gewarnt. Tut es sogar täglich, wenn ich für euch unterwegs bin. Ihr wärt Abschaum, sagt man mir. Bodensatz. Verräter an der Menschheit. Wir befinden uns in einem Krieg, höre ich, dem letzten Krieg der Menschheit, sollten wir ihn verlieren. Sie oder wir, heißt es.
Wir müssen alles tun, um zu überleben. Alles ist erlaubt. Anständige Bürger sagen mir das. Mütter und Väter, Arbeiter, Angestellte. Menschen, die das Fundament ihrer Gemeinschaft bilden. Menschen, ohne die ihre Gesellschaften in sich zusammenstürzen würden. Sie fangen mich ab, brüllen mich an oder bitten um ein Gespräch unter vier Augen, um ihre Sorgen loszuwerden. Und wenn sie es getan haben, schauen sie mich an, so wie ihr in diesem Augenblick. Aufgeregt, unsicher, hoffnungsvoll. Sie erwarten meine Antwort, die ja eigentlich nur eine sein kann. Denn was die guten Leute mir sagen, muss doch jedem einleuchten, der nur einen Funken gesunden Menschenverstand hat. Nicht wahr?« Eine Pause. »Und wisst ihr, was ich diesen Leuten sage?« Schrever bekam keine Antwort. »Ich sage diesen Leuten: Ich bin stolz auf meine Flyboys, stolz auf meine Flygirls. Denn ihr, die ihr hier vor mir steht, seid die Selbstlosen, die Besten, die Unverzagten. Ihr seid wahre Menschen. Ihr habt viel eingesteckt, um hierherzukommen. Ihr habt Glück gebraucht, viel Glück; manche von euch haben alles gegeben, was sie besessen haben, um für die Company zu fliegen. Ihr kommt aus allen Ländern dieser Erde. Ihr seid schwarz, ihr seid weiß, ihr seid braun. Ihr habt Schlitzaugen, runde Augen, kleine oder große Nasen. Ihr kommt aus einem Leben in Luxus, hattet gute Aussichten, hundertzehn oder älter zu werden. Ihr kommt aus einem Leben in Armut, mit der Perspektive auf dreißig, vielleicht vierzig elende Jahre, bevor ihr an einer Krankheit verreckt, die eine billige Spritze oder eine Hand voll Pillen geheilt hätten. Und ihr alle arbeitet einem gemeinsamen Ziel entgegen, kommt in Frieden miteinander aus. Ich frage euch: Handelt so Abschaum?«
Rufe. Unterdrückte. Noch, ahnte Rudi.
»Ihr gebt alles für die Menschheit. In einigen Monaten, am Ende dieser Saison, wird jeder Fünfte von euch tot sein. Wenn es gut läuft. Schaut euch um, zählt es ab. Stellt euch vor, was das bedeutet. Ihr seid bereit, dieses Opfer zu bringen, sonst wärt ihr nicht hier. Ich frage euch: Handelt so Gesindel?«
»Nein!« Die Antwort kam mit einer einzigen, vielstimmigen Stimme.
»Nein. Gesindel bringt keine Opfer. Gesindel steckt ein, was es in die Finger kriegt. Und wir, jeder Einzelne von uns, die wir zusammen die Company ausmachen, sind kein Gesindel - auch wenn wir alles geben, um an eine ganz bestimmte Sache zu kommen: Alien-Artefakte. Wir wollen sie betrachten, sie berühren, wir wollen sie auf uns einwirken lassen. Wir wollen sie in Stücke schneiden, sie einschmelzen, jedes Molekül einzeln analysieren. Wir wollen wissen! Und wenn wir mit den Artefakten fertig sind, geben wir weg, was von ihnen übrig ist, schenken wir die Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, her. Nicht an einen Einzelnen, nicht an eine Kirche oder einen Konzern, nicht an einen Geheimdienst oder eine Armee, nicht an einen Staat oder eine ethnische Gruppe. Nein, wir schenken sie allen Menschen!«
»Jaaa!!!«
»Und ich sage euch noch etwas: Wir werden es schaffen. Die Aliens sind nicht dumm. Sie können es nicht sein. Allein die Tatsache, dass sie den Weg von einer anderen Sonne zur Erde gefunden haben, beweist das. Sie lassen sich Zeit, das ist alles. Was sind ein paar Jahre oder sogar Jahrzehnte, verglichen mit den Jahrtausenden, die ihre Reise zur Erde gedauert haben muss? Nichts. Sie warten und studieren uns. Hören zu, sehen uns zu. Und dann, wenn sie uns lange genug untersucht haben, werden sie ihr Urteil über uns fällen. Sie werden uns, die Menschheit, an den Besten messen.«
Jubel, Beifall.
»Und ihr seid die Besten, die Edelsten, die Selbstlosen!«
Die Männer und Frauen sprangen auf und ab, schrien. Rudi hielt sich die Ohren zu und war dankbar, als Schrever beide Arme hob und den Beifall abwürgte.
»Ihr seid die Besten. Aber ich sage euch: Auch die Besten können scheitern. Aus Hochmut, der nicht angebracht, aber menschlich ist, oder weil ihr nicht stark genug seid oder weil ihr zweifelt. Es gibt viele Wege zu scheitern, doch nur wenige
führen zum Erfolg. Vergesst nie: Ihr seid Teil eines Ganzen, das größer ist als der Einzelne. Unermesslich viel größer. Und es wird der Punkt kommen
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