Alien Earth - Phase 2
diesem Körper. Es kann nicht sein, dass das eben das erste Mal gewesen ist.«
»Nein, das war es nicht. Aber ich habe von dem, was im Berg geschehen ist, nichts mitbekommen. Im Zustand der …« Sie brach ab. »Gehen wir weiter!«
Schweigend gingen sie zum Haus zurück. Inzwischen waren weitere Aliens aufgewacht. Sie standen in einer langen Reihe am Waschplatz. Sie hatten sich ausgezogen. Die beiden vordersten seiften sich unter den Achseln ein, genauso, wie Paul es Ghi gezeigt hatte. Gerade als das Haus ihnen die Sicht abschnitt, sah Paul einen weiteren Alien an den Bach treten. Er zog sich das Hemd aus, ging in die Knie und tauchte den Kopf in das Wasser.
Ghi sah weder hin, noch grüßte sie ihre Gefährten. Zielstrebig hielt sie auf den Vordereingang zu. Sie ging an den Leichen
vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen, und wollte im Haus verschwinden.
Paul hielt sie zurück. »Augenblick! Was ist mit ihnen hier?« Er zeigte auf die Leichen, über denen Fliegen kreisten. Sie stanken.
Die Aliens hatten sie auf einen Haufen geworfen. Sie lagen mit den Gesichtern nach unten. Ein Zufall? Oder hatte Kahman dafür gesorgt?
Ghi drehte sich um. »Was soll mit ihnen sein? Es sind Tote. In ihnen ist kein Leben mehr.«
»Was wollt ihr mit ihnen anfangen?«
»Nichts. Sie sind tot. Niemand kann mehr etwas mit ihnen anfangen.«
Ghi war kein Mensch. Sie kannte die Worte, die Paul gebrauchte, aber sie verstand sie nicht. Er musste sich genauer ausdrücken. »Ihr müsst sie begraben«, sagte er.
Ghi schwieg, verdrehte die Augen. Paul hielt es für ein Anzeichen, dass sie nachdachte. Nach einigen Augenblicken richtete sich ihr Blick wieder auf Paul. »Ich verstehe, was du sagst. Wir sollen sie in eine Grube werfen. Wie dort.« Sie streckte den Arm aus und zeigte auf den Wald, dort, wo der Abort verborgen war. »Glaubst du, dort ist genug Platz?«
»Nein … nein, das habe ich nicht gemeint! Ich …«
Ghi schnitt ihm das Wort ab. »Jetzt verstehe ich. Es ist ein Ritual, das deiner Kultur wichtig ist.«
»Ja. Wir ehren die Toten. Zumindest, wenn es möglich ist. Für uns sind sie mehr als leere Hüllen. Aber das ist nur ein Aspekt. Der zweite ist ein praktischer. Es geht um Hygiene. Wenn ihr die Leichen hier liegen lasst, verwesen sie, und wir werden krank.«
»Ich verstehe …« Ghi nickte ernst, als hätte Paul ihr eine überraschende Eröffnung gemacht. Das konnte nur eines bedeuten.
»Ist das auf eurer Welt anders?«, fragte Paul.
»Jede Welt ist anders. Wir werden sie noch heute begraben.« Sie wandte sich zur Seite, zeigte auf den Wald, weit weg
von dem Abort. »Dort drüben. Unter den Bäumen. Genügt das der Hygiene und den Ritualen?«
»Ich denke schon.«
»Dann ist das geklärt. Komm jetzt, ich habe noch viele Fragen.« Sie ging ins Haus.
Dort stellte sie weitere Fragen. Endlos viele Fragen. Als Nächstes ging es ihr um die menschliche Ernährung. Was aßen Menschen? Sie gingen durch die Vorratskammer. Sie war klein, aber gut bestückt. Paul zeigte Ghi, wie man eine Konservenbüchse öffnete. Er erklärte ihr, dass man eine Büchse nicht essen konnte, aber dafür die Nudelbeutel und Kartoffelsäcke. »Sie bestehen aus Stärke«, sagte er nebenbei und verbrachte eine Stunde damit, Ghi auseinanderzusetzen, dass »Stärke« trotz ihres Namens nicht das beste und wichtigste Lebensmittel der Menschen war, sondern nur eines unter vielen. Ghi wollte es genau wissen, und gab sich erst zufrieden, als Paul ihr von einfachen und komplexen Kohlenhydraten, Proteinen, Ballaststoffen, Vitaminen, gesättigten und ungesättigten Fetten und Aminosäuren erzählt hatte. Paul war sich sicher, dass er Dinge ausgelassen und falsch dargestellt hatte, aber mehr noch war er überrascht darüber, wie viel er wusste.
Und wie viel er nicht wusste. Das meiste, was sie in der Kammer fanden, war ihm unbekannt. Von der Decke hingen große, dunkel verfärbte Stücke Fleisch und Würste. »Geräuchert«, konnte er Ghi mitteilen, »das macht sie haltbar.« Aber das war es schon. Er wusste nicht, von welchen Tieren das Fleisch stammte, musste bei den verschiedenen Arten von Körnern und Gemüsen passen, die in groben Säcken entlang der Wände aufgereiht waren. Paul war in einer Stadt geboren und aufgewachsen. Nahrung kannte er verpackt und vorbehandelt, und das Hunter-Camp hatte daran nichts geändert. Niemand war auf die Idee gekommen, die Rekruten in einem Wald auszusetzen und eine Woche später nachzusehen, ob sie noch lebten.
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