Aliens in Armani: Roman (German Edition)
das alle im Raum fragten.
Nichts, was an diesem Tag geschehen war, hatte mich mehr überrascht als das, was jetzt kam. »Ich sehe es«, sagte nämlich niemand anderes als Christopher. Und zum ersten Mal klang er weder ärgerlich noch gehässig – er klang zutiefst erschrocken. »Wie kann Kitty unten auf der Straße sein und ein Überwesen töten, wenn sie gleichzeitig dort oben am Fenster steht und der ganzen Geschichte zusieht?«
»Und schaut euch mal an, mit wem ›ich‹ da stehe«, ergänzte ich und versuchte, die Panik unter Kontrolle zu halten – nicht sehr erfolgreich, der Art nach zu urteilen, wie Martini meine Hand drückte.
Das Bild zoomte noch näher heran. Jetzt wurde es zwar etwas unscharf, doch man konnte ›mich‹ und den Mann neben ›mir‹ trotzdem besser erkennen.
»Ronald Yates.« Mums Stimme hatte einen stählernen Klang.
In einem Raum voller Menschen wäre jetzt vermutlich ein wahrer Tumult losgebrochen, in einem Raum voller Aliens jedoch nicht. Alle starrten auf die Aufnahmen und studierten sie genau. Besonders erleichtert war ich darüber, dass niemand mich fragte, wie ich es denn geschafft hätte, an zwei Orten gleichzeitig zu sein.
Christopher ergriff wieder das Wort. »Jeff, dass müssen wir beide zusammen erledigen.«
Martini ließ meine Hand los und stand auf. »Du hast recht.« Er ging zur Mitte der Längsseite des Tisches, Christopher tat dasselbe. Sie standen auf der gleichen Seite wie Gower, also zu meiner Rechten, und die Frauen, die dort gesessen hatten, erhoben sich und traten zur Seite. Niemand sprach.
Das Bild wurde wieder zu einem großen Ganzen, und es gab keine Privatansichten mehr. Die gesamte Tischplatte zeigte nur noch die Standaufnahme des Fensters im neunten Stock, hinter dem ›mein‹ Freund und ›ich‹ zu sehen waren. Er hatte den Arm um ›meine‹ Taille gelegt. Ich hätte kotzen können.
Christopher legte seine Handfläche auf mein Abbild, Martini legte seine darüber. Es sah fast aus wie bei der Mannschaftsbesprechung kurz vor einem Footballspiel. Allerdings waren Martini und Christopher nur zu zweit, und sie rissen die aufeinanderliegenden Hände weder schwungvoll nach oben noch brüllten sie »Go Team«.
Nach etwa einer Minute, die mir wie die längste meines Lebens vorkam, nahmen sie die Hände wieder vom Bild und sahen sich an. »Sie ist es nicht«, sagte Christopher schließlich.
»Nein. Das da ist noch nicht mal ein Mensch«, bestätigte Martini.
»Was zum Teufel ist hier eigentlich los?«, fuhr Mum auf und sprach damit genau das aus, was ich dachte.
»Und nicht, dass ich es abstreiten möchte, aber woher wisst ihr, dass das da nicht ich bin?«
Gower antwortete. »Wir alle haben unterschiedliche Talente, die auf A.C. nicht weiter bemerkenswert oder ungewöhnlich sind, auf der Erde sind sie jedoch etwas Besonderes. Jeff ist unser stärkster Empath, und Christopher ist unser stärkster Bildwandler.«
»Ein bitte was?«
Gower brachte ein Lächeln zustande. »Er kann ein Foto oder eine Aufnahme von einem Menschen berühren und lernt die Person dadurch kennen. Außerdem können Bildwandler auch alle Aufnahmen verändern, egal, ob bei Live-Übertragungen oder im Nachhinein. Auf unserem Heimatplaneten tritt diese Fähigkeit ziemlich häufig auf.«
»Die Volksstämme auf der Erde, die glauben, dass ein Bild einen Teil ihrer Seele stiehlt, haben in gewisser Weise recht«, erklärte Christopher. »Die Abbilder kopieren auch Seele und Verstand eines Menschen, genauso, wie sie das Äußere wiedergeben.«
»Stimmt, wenn wir immer noch auf A.C. leben würden, wäre Christopher ein Künstler«, ergänzte Martini.
»Dann ist es also eine künstlerische Begabung?« Mum klang argwöhnisch.
Christopher zuckte die Achseln. »Auf Alpha Centauri schon. Hier ist es vor allem nützlich.«
»Wie Telefonüberwachungen, nur eben ganz anders?«, schlug ich vor.
Er schüttelte den Kopf. »Dein Verstand ist schon erstaunlich, die Art, wie er manchmal funktioniert und manchmal auch nicht.«
Mum legte ihre Hand auf meinen Arm, bevor ich zurückschießen konnte. »Schon gut, aber du hast gesagt, das in dem Bild ist nicht Kittys Verstand.«
»Stimmt«, antwortete Martini schnell, wohl, um mich davon abzuhalten, mich wieder auf Christophers Kehle zu stürzen. »Ich kann die Person durch Christopher fühlen. Das da ist keine menschliche Frau, und es ist auch keine weibliche A.C. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was sie ist, aber auf jeden Fall nicht
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