Alison Wonderland
denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mir etwas zeigen könnte, das mich noch mehr überrascht als der Mann auf der Leiter, und das lässt mich wieder loslegen. Ich steige aus dem Auto und sehe, dass sie in den Garten der Teestube späht.
»Ein Wunschbrunnen«, sagt sie. Die Teestube ist geschlossen, klar, es ist ja auch mitten in der Nacht. Wir versuchen es mit der Gartentür. Sie ist nicht abgeschlossen, also gehen wir rein.
»Wie viel muss man da reinwerfen?« frage ich.
»Also, wenn du einen Wunsch für die ganze Welt hast, dann ist die beste Münze eine aus Frankreich, wegen dem, was eingraviert ist –
liberté, egalité, fraternité
. Aber weil wir einen persönlichen Wunsch haben, ist es egal. Es geht mit jeder Münze.«
»Du kennst doch das alte Weihnachtslied ›Joy to the World‹? Wenn ich einen Wunsch für die Welt hätte, dann wäre es das, was ich mir wünschen würde.«
»Freude für die ganze Welt? Ja, das ist schön. Aber im Moment geht es mit jeder Münze.«
Ich finde eine Zehn-Pence-Münze für jeden von uns und wir schnipsen sie hoch in die Luft, so dass sie sich drehen, bevor sie ins Wasser fallen. Wir sind ruhig und ernst, während wir an unseren Wunsch denken.
Als wir zum Hotel zurückgehen, sind wir müde, uns ist kalt und wir fühlen uns immer noch sprachlos wegen der Vorkommnisse dieser Nacht. Taron legt ihre Arme um mich und gibt mir an der Tür zu meinem Zimmer einen Gutenachtkuss.
»Gute Nacht, Taron«, sage ich.
»Mäh«, sagt sie. Ich schließe die Tür und lache für eine gefühlte halbe Stunde in mich hinein, bevor ich einschlafe.
Kapitel 25 – Phoebe finden
»Taron, deine Mutter flippt aus, wenn wir plötzlich mit einem Baby auftauchen, oder?«
Taron ist sehr gut darin so zu erscheinen, als würde sie zum ersten Mal darüber nachdenken. Ihre Augen weiten sich und sie neigt ihren Kopf für Ewigkeiten auf eine Seite.
»Komm, lass uns zu ihr fahren und sie bitten, uns bei der Vernichtung der Datenbank zu helfen«, schlage ich vor. »Und dann erwähnen wir beiläufig die Idee mit dem Baby und sehen, wie sie sich dabei fühlt.«
»Das Meer ist so kraftvoll und magisch. Lass uns heute Nacht hier parken und meditieren und auf eine Vision warten, die uns sagt, wo wir ein Baby finden. Und wenn nichts passiert, dann fahren wir morgen wieder nachhause.«
Wir parken nah am Pier und öffnen die Fenster, um den salzigen Geruch des Meeres ins Auto zu lassen. Alles ist rosa, so als wären wir in einer Seifenblase gefangen. Der Sand ist rosa, der Himmel ist rosa, da ist eine rosa Spur im Wasser, während die Sonne untergeht. Selbst die Planken und die Gebäude am Pier sind in Pastellfarben getaucht. Eine Familie läuft vor uns am Strand entlang. Die Kinder werfen Kieselsteine ins Wasser.
»Erinnerst du dich, dass da immer Teer im Sand war, als wir Kinder waren?«, frage ich Taron. »Glaubst du, es ist immer noch welcher da?«
»Keine Ahnung, ich fahre in den Ferien immer ins Ausland.«
Die Riesenrutsche am Pier ragt hoch vor dem Horizont auf. Eine glänzende Discokugel kennzeichnet den Eingang zum Vergnügungspark und fängt das letzte verblassende Licht vom Himmel ein. Es gibt ein Riesenrad am hintersten Ende des Piers, so aufgestellt, dass man das Gefühl bekommt, ins Wasser zu fallen, wenn man mit ihm fährt. Kleine Nadelstiche elektrischen Lichts laufen am Rand des Piers entlang und beleuchten die Attraktionen, aber der Pier ist menschenleer.
»Ich habe Angst vor dem Meer«, sagt Taron.
»Ich weiß.«
Es wird kalt und wir schließen die Fenster im Auto. Wir sind beide sehr müde. Vielleicht liegt es an der Meeresluft; wir haben ja nicht wirklich viel gemacht in den letzten Tagen. Taron raucht einen Joint und wir dösen langsam ein.
Das Meer ist sehr schwarz. Die Luft steht ganz still. Die Wasseroberfläche kräuselt sich fast gar nicht, aber ich kann hören, wie sich das Meer bewegt und die Wellen den Sand am Ufer waschen und sich wieder zurückziehen. Ich starre nach draußen aufs Meer und versuche, den Horizont zu erkennen. Ich kann nicht sehen, wo das Meer aufhört und der Himmel anfängt. Die Sterne leuchten sehr hell, wie ein Schauer aus elektrischem Licht. Wenn ich wieder aufs Wasser schaue, sehe ich, wie sich die Sterne im Wasser spiegeln. Ich habe sie vorher gar nicht bemerkt, ich habe nur die Dunkelheit gesehen. Ich kann nicht erkennen, wo der Himmel endet und das Meer beginnt. Überall ist nur schwarz, das helle Licht und das unruhige Geräusch des
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