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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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hatte vergessen, dass er das Ding überhaupt aufbewahrt hatte, bis er den Hut des Tiefländers erblickt hatte. Den Bewahrer-Hut des Tiefländers, fügte Bailic in Gedanken hinzu und wusste nicht recht, ob sein Pulsschlag sich aus Angst oder Erwartung beschleunigte.
    Es wurde immer offensichtlicher, dass einer seiner Gäste ein latenter Bewahrer war. Lange vor Bailics Zeit hatte man viel Mühe aufgewendet, um dafür zu sorgen, dass es andere, leichtere Wege durch die Berge gab. Niemand fand die Feste, es sei denn, er wurde von ihr angezogen, und kein Bewahrer, der hier Schüler werden wollte, war mehr hereingestolpert, seit die Meister im Westmeer ertrunken waren. Noch aussagekräftiger war die Tatsache, dass die uralten Banne der Feste erwachten. Nur jemand, der wahrhaft hierhergehörte, konnte das ausgelöst haben.
    Seit Bailic seinen Titel als Bewahrer aufgegeben hatte, wurde er von den Wärmebannen nicht mehr erkannt. Ganz allmählich hatten sie nachgelassen, bis es hier drin winterlich kalt geworden war, sogar während des kurzen Sommers in den Bergen. Seit diese beiden die Schwelle überschritten hatten, lockerte sich der eisige Griff. Bald würde man gar kein Feuer mehr benötigen, höchstens noch als Beleuchtung. Das würde diesen Winter behaglicher machen, doch der Gedanke an einen anderen Bewahrer in der Feste machte ihn nervös. Sogar ein latenter Bewahrer konnte Bailics Pläne gefährden, vor allem, falls er von seinem potenziellen Status wusste.
    »Was meinst du, Meson?«, sagte er und nahm erneut den Hut zur Hand. Das gelbe Leder war trocken und musste dringend geölt werden. »Ist sich der Unglückliche seiner Fähigkeiten nicht bewusst, so wie ich, als ich die Feste fand, oder weiß er sehr wohl darum, so wie du damals?«
    Bailic warf den Hut auf seinen Stuhl vor dem Balkon und wandte sich einem kleinen Schränkchen zu. Leicht strichen seine Finger über die verschiedenen Behälter, als er den Tiegel Öl eher zu ertasten denn mit den Augen zu finden versuchte. »Ich halte es für wahrscheinlich«, brummte er währenddessen, »dass der latente Bewahrer von seinen schlummernden Fähigkeiten weiß und hier ist, um die Erste Wahrheit zu suchen.« Bailic richtete sich auf, einen großen Tiegel schwarzes, tierisches Fett aus dem Tiefland in der Hand. Stirnrunzelnd stellte er ihn zurück und nahm stattdessen ein Glas leichtes, dünnflüssiges Öl heraus, das im Hochland aus Pflanzen gewonnen wurde. Nun, da die Meister fort waren, stellte das Buch für einen Bewahrer vermutlich die einzige Möglichkeit dar, zu lernen, wie man das komplizierte Muster der Pfade verwendete, das bislang ungenutzt in seinem oder ihrem Geist ruhte.
    Bailic trat an seine Werkbank, nahm einen der Lappen zur Hand, mit denen er sonst seinen Augenbalsam auftrug, und kehrte zu seinem hohen Lehnsessel vor dem Balkon zurück. Das Erscheinen eines latenten Bewahrers konnte ihm auch nützlich sein, wenn er die Situation richtig ausbalancierte. Der ungeschulte Geist ließ jegliche Disziplin vermissen und war deshalb frustrierend empfindsam. »Du könntest dieses Buch für mich finden«, murmelte er und zog ein Tischchen näher an seinen Sessel heran. »Dann brauche ich es mir nur noch zu nehmen«, sagte er, erfreut über diesen Einfall. Doch er durfte sie nicht merken lassen, dass er wusste, wonach sie suchten. Sie durften nicht gewarnt werden. Wenn sie erst misstrauisch wurden, konnte er nicht mehr sicher sein, dass er merken würde, wenn sie es gefunden hatten. Es wäre sogar möglich, dass sie eher davonlaufen und ihr Leben in den verschneiten Bergen aufs Spiel setzen würden, als ihm das Buch auszuhändigen.
    Bailic hielt brutale Gewalt für eine Lösung, zu der nur ein schwacher Geist griff. Sonst hätte er die beiden einfach mit einem Bann gefesselt, seine Forderungen vorgebracht und den einen mit dem Tode bedroht, bis der andere das Buch gefunden hatte, doch wozu? Bailic war realistisch. Blutige Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es eine schwierige, schmutzige Angelegenheit war, Geiseln festzuhalten und zu benutzen, vor allem über einen so langen Zeitraum, wie ihn die Suche nach dem Buch erfordern würde. Da war es wesentlich günstiger, die beiden in Ruhe zu lassen, bis sie das Buch für ihn gefunden hatten. Außerdem erschien ihm die Vorstellung, einen weiteren Winter ganz allein zu verbringen, als jämmerliche Verschwendung, wenn er stattdessen zwei Gäste hatte, die er quälen konnte.
    Er ging allerdings ein Risiko ein, indem er

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