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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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einem latenten Bewahrer erlaubte, sich ohne jegliche Überwachung frei in der Feste zu bewegen. Wenn er wüsste, wen von beiden er im Auge behalten musste, wäre das Risiko wesentlich geringer und das Ganze ein aufregendes Spiel. Und er könnte die betreffende Person ganz leicht überwachen. Ja, dachte er und schraubte den Deckel von dem Glas voll Öl. Er hätte bei diesem Spielchen kaum etwas zu verlieren, wenn er wüsste, wer der Bewahrer war. Sein Einsatz und das Risiko für ihn selbst würden dadurch ebenfalls reduziert, und Bailic war es am liebsten, seine Schlachten schon gewonnen zu haben, ehe sie begannen.
    Seltsamerweise besaßen nicht ausgebildete Bewahrer überraschende Kräfte, da ihre Fähigkeiten noch nicht von Weisheit und Beherrschung eingeengt wurden. Genau deshalb wurde ihnen keine Quelle gewährt, bis sie ein gewisses Maß an Selbstkontrolle bewiesen. Alle Bewahrer, latent oder nicht, konnten eine Kraftwelle aussenden, wenn sie unter großem Druck standen. Er wollte sich nicht aus einer spontanen Reaktion heraus die Pfade verbrennen lassen. Das tat weh, ganz zu schweigen davon, dass er so lange nicht den geringsten Bann würde wirken können, bis seine Pfade geheilt waren.
    Er musste herausfinden, wer der Bewahrer war. Der junge Mann war der wahrscheinlichere Kandidat, doch Bailic wollte nicht riskieren, sich nur auf das Indiz eines Hutes hin die Pfade verbrennen zu lassen. Ein Meister würde einfach ohne Erlaubnis des Betreffenden einen Blick auf das Muster der Pfade werfen, das sich in dessen Geist ausbreitete. Der Unterschied zwischen einem Bewahrer und einem Gemeinen war lächerlich eindeutig. Bailic jedoch verfügte nur über die Fähigkeiten eines Bewahrers. Er konnte niemandes Pfade sehen außer seine eigenen, es sei denn, er wurde dazu aufgefordert oder das Subjekt war so gut wie tot.
    Einen von beiden dazu zu bringen, dass er auf eine wortlose Anrede reagierte, würde ihm sagen, wer der latente Bewahrer war, doch dazu hätten sich Bailic oder seine »Gäste« außerhalb der Feste befinden müssen, um deren Schweigebann zu umgehen. Bailic hatte nicht die Absicht, den vollkommenen Schutz zu verlassen, den die Feste ihm bot, und er würde auch den beiden nicht gestatten, die Grenzen des Anwesens zu überschreiten. Obgleich dieser Bann jetzt sehr hinderlich war, war er früher ein Segen gewesen, als sich noch zahlreiche Bewahrer in der Feste aufgehalten hatten. Beim bloßen Gedanken an die unzähligen stummen Unterhaltungen, die von einem Ende der Feste bis zum anderen hin- und hergeflogen wären, bekam Bailic Kopfschmerzen. Er glaubte allerdings nicht, dass dieser Bann auch die Meister gebunden hatte. In der Vergangenheit hatten sich Neuigkeiten stets sehr rasch verbreitet.
    Gespräche zwischen Bewahrern und Meistern waren ausschließlich verbaler Natur gewesen. Niemals hatte Bailic von einer Ausnahme gehört. Offenbar waren die mächtigen Wesen nicht bereit, oder vielmehr gar nicht in der Lage, sich mit irgendjemandem außer ihresgleichen stumm zu verständigen. Es hieß, die Gedankenmuster von Bewahrern und Meistern seien so verschieden, dass es keine Überschneidungen gebe, die eine Kommunikation ermöglichen würden. Wenn die großen Gelehrten sich zu unterhalten wünschten, und das war oft der Fall gewesen, nahmen sie ihre gewöhnlichere Gestalt an – diejenige, die zu menschlicher Sprache fähig war. Die einzige andere Möglichkeit war, sich der Zunge eines anderen zu bedienen, ohne dessen Wissen. Der derart in Besitz genommene Narr konnte sich später nie erinnern, was geschehen war, während er geschlafen und ein anderer ihm mit seinen Gedanken und Worten Leben eingehaucht hatte.
    Bailic begann, das Öl auf den Hut aufzutupfen, wobei er darauf achtete, mit dem Lappen nicht seine Gewänder zu berühren. Die Falle, die er so geschickt aufgestellt und in der Vergangenheit so erfolgreich eingesetzt hatte, war nutzlos – nun, da Meson den Wahrheitsbann der Feste gebrochen hatte. Bailic konnte seine Beute noch immer in seine Gemächer locken und dort gefangen setzen, doch sie waren keinem Zwang ausgeliefert, irgendetwas zu sagen, geschweige denn die Wahrheit.
    Seine beste Chance bestand darin, im Gespräch mit den beiden herauszufinden, wer einen Elternteil hatte, der Bewahrer gewesen war – einen Elternteil, den Bailic vermutlich ermordet hatte. Er würde ihre Worte sorgsam abschätzen müssen; sie belogen ihn schon jetzt. Die Angst in ihren Gesichtern, als er an ihrer

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