Alissa 1 - Die erste Wahrheit
Mund, um zu protestieren. Dann verhärtete sich seine Miene. »Schön!«, bellte er und begann, seine Sachen in sein Bündel zu stopfen.
Missmutig kehrte Alissa auf ihre Seite des Lagers zurück und kippte das Wasser aus ihrer Schüssel über das Feuer. Sie würde das Frühstück eben ausfallen lassen. Wäre nicht das erste Mal, dachte sie mürrisch, während das Feuer zischte und eine Wölke beißenden Qualms in die stille Morgenluft aufstieg. Sie ließ sich neben dem schwarz verkohlten, nassen Holz auf den Boden plumpsen und angelte sich ihre Stiefel. Die Spannung war beinahe greifbar, während beide hastig packten, um endlich getrennter Wege zu gehen.
Strell brummte etwas und griff nach seinem Dreibein. Im selben Augenblick versuchte Alissa gedankenlos, ihren geschwollenen Fuß energisch in den Stiefel zu schieben.
»Au!«, schrien sie gleichzeitig auf. Der stechende Schmerz in Alissas Knöchel verebbte zu einem dumpfen Pochen. Verärgert blickte sie zu Strell und fragte sich, was der für einen Grund haben sollte, so zu schreien. Als sie ihn am Feuer knien sah, wurde sie blass, und es drehte ihr den Magen um. In seinem Zorn hatte er vergessen, dass das Dreibein den ganzen Morgen im Feuer gestanden hatte. Erschrocken starrte er auf die hässliche Brandwunde, die sich über seine Handfläche zog.
»Hier!« Alissa ließ ihren Mörser zu Boden fallen und kippte ihren Wasserschlauch darüber aus. Wasser spritzte über den Rand, als Strell den Schock überwand und die Hand in die Schüssel tauchte. Sie griff nach Strells Wasserschlauch und goss langsam noch mehr nach, so dass eine schlammige Pfütze entstand, wo zuvor das Feuer gebrannt hatte.
»Nein, nimm sie noch nicht heraus«, sagte sie und drückte seine Hand wieder hinunter, als er sie zurückziehen wollte.
»Wie dumm kann man eigentlich sein …«, begann er bitter.
»Hm«, brummte Alissa zustimmend. »Das war wirklich dämlich.«
Er erstarrte. Ihre Blicke trafen sich, und Alissa hielt seinem Funkeln mit Unschuldsmiene stand. »Na ja, das war es doch!«, protestierte sie, und er wandte sich ab.
Der Wind frischte auf und ließ sie erschauern. Asche, dachte sie, was, wenn er ernsthaft verletzt war? »Also schön«, sagte sie besänftigend, denn es tat ihr leid, dass sie ihm so rasch beigepflichtet hatte. »Zeig mal her.«
Er biss die Zähne zusammen und hob die Hand. Wasser tropfte in die Schüssel zurück. Er holte tief Luft und sah ihr in die Augen. »Werde ich – werde ich wieder spielen können?«, fragte er.
»Spielen?« Alissa starrte ihn verständnislos an.
»Du weißt schon … meine Musik?« Mit der anderen Hand vollführte er eine Pantomime des Flötespielens.
»Oh.« Alissa musterte die lange, tiefrote Brandblase. Das sah nicht so schlimm aus, wie sie zunächst gedacht hatte. »Ja.« Sie verzog das Gesicht. »Ich denke schon.« Ein ungutes Gefühl regte sich in ihr. Er war ein Pfeifer, dachte sie. Er konnte unmöglich derjenige sein, den sie an dem Abend gehört hatte, als der Raku über sie hinweggeflogen war. Der musste jetzt schon auf halbem Wege ins Tiefland sein.
»Was meinst du, wann es verheilt sein wird?«
Sie blinzelte, abrupt in die Gegenwart zurückgeholt. »Ich weiß es nicht.«
»Du weißt es nicht?«
Seine Stimme klang ein wenig erschrocken, und Alissa warf ihm einen Blick zu. »Das einzige Lebewesen, das ich je versorgen musste, ist Kralle, und die brauchte nie etwas anderes als Futter.« Gemeinsam wandten sie sich nach dem Vogel um, und Kralle zirpte fröhlich unter ihren Blicken.
»Wer hat dann diese Salbe hergestellt?«, fragte er. »Sie hat bei meinen Kratzern sehr gut geholfen.«
»Meine Mutter«, erklärte Alissa knapp, denn über die wollte sie nicht sprechen. Unbeholfen stand sie auf. »Sie würde deiner Brandwunde sicher auch guttun.«
Sie ließ ihn sitzen, ging zu ihrem Bündel und kippte es aus. Sie warf einen Blick zurück zu Strell, als alles einfach herauskullerte, doch so würde sie die Salbe am schnellsten finden. Strell erinnerte sich nun offenbar an seine guten Manieren und tat zumindest so, als schaue er weg, während sie alles außer dem Tiegel wieder einpackte. Sie fragte sich, ob alle Tiefländer so neugierig waren oder ob das an seinem Charakter lag.
Strell streckte ihr die Hand hin, als sie sich vor ihn setzte. Auf sein zögerliches Nicken hin trug Alissa die feine, cremige Salbe auf die Brandwunde auf und verband dann die Hand mit einem sauberen, aber arg zerfransten Stück Stoff aus seinem
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