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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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bin es, der kräftig ausgeschimpft werden sollte.« Alissa blickte auf, schniefend und schluckend. »Erzählen wir deiner Mutter lieber nichts davon, ja? Sonst bekomme ich Ärger.« Er zwickte sie in die Nase und wurde mit einem niedlichen, zögerlichen Lächeln belohnt. »Morgen gehen wir zum Bergsturz und holen so viele Steine, dass ich ein paar Schichten um dieses Loch im Boden aufmauern kann.«
    »Aber dann komme ich ja nicht mehr dran«, protestierte sie.
    Halb aufgestanden, erstarrte Meson. Langsam ließ er sich wieder auf den Boden sinken. »Woran denn?«, hörte er sich widerwillig fragen.
    »Das weiß ich erst, wenn ich es gefunden habe.« Alissa beugte sich vor, um in den Brunnenschacht zu schauen. »Aber es ist da. Ich kann es fühlen. Holst du es mir heraus?« Sie strahlte ihn an und versuchte es mit dem ganzen Charme einer Fünfjährigen.
    Meson schluckte schwer. »Ja. Ich hole es.«
    Alissa machte große Augen. »Du weißt, was da unten ist?«
    »Hm-hm. Ich verstecke meine Schätze stets in einem Brunnen. So habe ich das schon immer gemacht, und so werde ich es auch in Zukunft halten. Aber du darfst es nicht anfassen. Verstanden?«
    Sie nickte eifrig, und Meson umfasste ihr Kinn und drehte ihren Kopf zu sich herum, so dass sie ihn ansehen musste. »Du darfst es nicht berühren«, wiederholte er streng, und sie senkte den Blick.
    Meson legte sich flach auf den Boden, schob sich über den Rand und grinste, als zwei kleine Hände seine Knöchel umklammerten. Sein Lächeln verblasste rasch, als er mit den Fingern über die grobe Erdwand strich und zwischen Dreck und Stein nach Leder tastete. Sobald er den Einband erfühlt hatte, zog er das Buch vorsichtig aus seinem Versteck und richtete sich auf. Wieder fragte er sich, warum sein Lehrer, Talo-Toecan, es ausgerechnet ihm zur Aufbewahrung anvertraut hatte. Der Meister wusste, dass so machtvolle Gegenstände Meson ein ungutes Gefühl gaben, weil sie Pech und Ungemach geradezu anzuziehen schienen. Offenbar war das Unglück, das dieses Buch mit sich brachte, nun aus dem Boden nach oben gestiegen und hatte ihn gefunden.
    »Das ist es!«, rief Alissa und hüpfte aufgeregt herum. »Ich wusste doch, dass da unten etwas ist!«
    Es war, als verwandle sich die Sommersonne zu Asche, als er zusah, wie seine Tochter vor Freude zwischen den Kiefern und Birken herumtanzte, die sich bereits gelb färbten. Alissa hatte das Glücksspiel der Geburt verloren. Er konnte nicht länger leugnen, dass sein Kind eine latente Bewahrerin war. Er verfluchte sich für seine Dummheit, und während er auf das uralte Buch starrte, ohne es zu sehen, nahmen seine Augen einen abwesenden Ausdruck an. Seine Lissy hatte es gefunden. Es musste fort. Wenn sie es erneut fand, könnte das tödlich enden, und auf seinem kleinen Hof gab es kein Versteck, wo sie es mit ihrer empfindsamen Natur nicht irgendwann aufspüren würde. Oh, sie wäre niemals absichtlich ungehorsam ihm gegenüber, aber sie konnte nicht anders. Selbst jetzt musste er sich energisch räuspern, als ihre begierigen Hände danach griffen. »Lissy …«, sagte er warnend, und sie errötete. »Hier.« Er lächelte in bittersüßem Verständnis. »Das darfst du dir ansehen.« Er werkelte zwischen dem Einband und dem Rücken des Buches herum und zog ein kleines graues Oval hervor, etwa so groß wie eine Münze. Er legte es ihr auf die Hand, und sie hielt es gegen die Sonne und sah es mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Was ist das?«
    »Ich weiß es nicht. Einer meiner Lehrer hat es mir gegeben, als wir gewettet haben, ich könnte das Ganze einer Sache erkennen, indem ich einen Teil davon betrachte.« Meson lachte leise. »Die Wette hat er wohl gewonnen.«
    Alissa drehte sich begierig herum. »Darf – darf ich es haben?«
    Sofort schüttelte er den Kopf.
    »Nie darf ich etwas haben!«, heulte sie.
    »Auf keinen Fall. Ich weiß doch nicht, was es ist – noch nicht.« Er drückte sie bekümmert an sich, um seine harten Worte zu mildern.
    »Also gut«, sagte sie und gab es ihm zurück. Dann weiteten sich ihre Augen, als sie merkte, dass es nicht mehr grau war; die Wärme ihrer Hand und die Mittagssonne hatten ihm eine leuchtend goldene Farbe verliehen. Meson verbarg sein Lächeln vor ihr und fragte sich, ob ihr Staunen siegen würde oder ihr Bedürfnis, sich ob dieser Veränderung erwachsen und gleichgültig zu geben. Ihr Schweigen brachte ihn zu dem Schluss, dass ihr Stolz gewonnen hatte. Meson schob die Scheibe wieder in das Buch, und

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