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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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verzichtete sie auf ihre übliche dramatische – und vollständig vorgetäuschte – Zurschaustellung vornehmer Zurückhaltung und nahm bescheiden das Insekt entgegen, das Alissa ihr vorsichtig hinhielt. Kralle flatterte auf den Holzstoß und begann, ihre Mahlzeit sorgfältig zu zerlegen. Das Schweigen dehnte sich aus.
    Da Alissa nicht wusste, was sie sagen sollte, nahm sie ihren »neuen« Hut zur Hand und musterte ihn gründlich. Kralles Büschel Eichhörnchenhaar war in einen der zahlreichen Risse gestopft, und sie merkte, dass ihre Augen schmal wurden – sollte sie sich darüber freuen oder empört sein? Strells Hut, so befand sie, war ein zerbeulter Fetzen uralten Leders. Sie hatte ihm einen Gefallen getan, indem sie ihm das Ding abgenommen hatte. Doch er war gut geölt, und wenn sie einen Hut haben wollte, würde sie diesen hier flicken müssen. Alissa ließ ihn zu Boden fallen. Beim bloßen Gedanken daran, wie viel Arbeit es kosten würde, diesen Hut wieder brauchbar zu machen, taten ihr die Finger weh. Wie, fragte sie sich, konnte Kralle in so kurzer Zeit so viel Schaden anrichten?
    Strell kümmerte sich immer noch um den Zinntopf, der an einem wackelig aussehenden Dreibein über dem Feuer hing. Er hatte sie noch gar nicht zur Kenntnis genommen, bis auf dieses verstimmte Brummen. Alissa suchte nach ihrem Wasserschlauch und fand ihn voll und in ihrer Reichweite. Strell musste ihn aufgefüllt haben. Auch ihre Schüssel war sauber. Strell musste sie gespült haben. So was, dachte sie. Das hatte sie nicht erwartet.
    »Danke für die saubere Schüssel«, sagte sie und goss Wasser hinein, um es zu erwärmen. »Möchtest du Tee?«
    Strell musterte sie missmutig und argwöhnisch. »Warum auf einmal so nett?«, fragte er grob. »Ich dachte, ich sollte aus deinem Lager verschwinden.«
    »Äh«, stammelte Alissa, überrascht von seiner Offenheit. »Du hast mich immerhin aus dieser Schlucht geholt, und du hast ein Recht auf deine eigenen Ansichten, so dumm und überholt sie auch sein mögen. Außerdem« – sie errötete – »wirst du nach dem heutigen Tag nicht mehr sein als eine scheußliche Erinnerung.«
    Er erstarrte, so leicht beleidigt, wie sie erwartet hatte. »Alissa, du magst die Herrin des Todes in Person sein, aber ich gehe nicht, ehe du auf eigenen Beinen aus diesen wunderschönen Bergen hinausmarschieren kannst.« Er gab sich keine Mühe, seinen Abscheu zu verbergen, als er einen Zweig ins Feuer warf. »Ausgerechnet mir muss das passieren«, brummte er. »In spätestens einem Monat wird es schneien, und ich sitze hier mitten im Nirgendwo und spiele Kindermädchen für eine dumme Bauerngöre, die nicht einmal klug genug ist, zu schauen, wo sie hintritt.«
    »Jetzt bin ich also die Herrin des Todes?«, fuhr Alissa auf. Was bildete er sich eigentlich ein, dieser … dieser … Staubfresser !, schäumte sie innerlich. »Ich brauche kein Kindermädchen. Und deine Hilfe brauche ich auch nicht.«
    »Gestern Abend hast du sie gebraucht.«
    »Ich wäre da schon irgendwie herausgekommen.«
    »Im Bauch eines Wolfes vielleicht.«
    Alissa spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. »Ich kann mich nicht erinnern, dich um deine Hilfe gebeten zu haben.«
    Strell lächelte sie süßlich an. »Doch, das hast du.«
    Sie schürzte die Lippen. Ja, das hatte sie. »Schön, aber jetzt brauche ich sie nicht mehr. Warum nimmst du also nicht deinen grässlichen Mantel und gehst dorthin zurück, wo du hingehörst?« Wütend stand sie auf und humpelte auf seine Seite des Lagers hinüber. Strells Stirnrunzeln wich einer verwunderten Miene, als sie seinen Mantel vom Boden hochriss. Es war offensichtlich, was ihm durch den Kopf ging, dachte sie. Erst in drei Tagen sollte sie wieder laufen können. Ha! Das galt vielleicht für einen Weichling von Tiefländer.
    »Hier!« Sie spürte einen schmerzhaften Stich im Knöchel und fühlte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Ihr war ein wenig schlecht, und sie warf ihm den Mantel in den Schoß statt ins Gesicht, wie sie es eigentlich vorgehabt hatte. »Ich habe die halbe Nacht damit zugebracht, damit du gehen kannst und ich dir nichts mehr schuldig bin.«
    »Aber … dein Knöchel«, stammelte er. »Ich habe ihn doch gesehen. Er war so dick wie ein Entenei.«
    »Ich finde, er sieht gut aus!«, erwiderte sie, obwohl es ihr peinlich war, dass sein Blick auf ihrem Fuß ruhte, Strumpf hin oder her. Ihr Knöchel war noch geschwollen, doch sie konnte wieder auftreten.
    Strell öffnete den

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