Alissa 1 - Die erste Wahrheit
»Wie ich sie kenne, wird ein Krieg wohl unumgänglich sein. Ein ordentlicher Kampf wird sie zumindest den Wert der Solidarität lehren. Doch das spielt jetzt keine Rolle – ich kann die Situation nicht kontrollieren, wenn ich die Erste Wahrheit nicht habe, und du wirst die Feste erst verlassen, wenn du mir gesagt hast, wo das Buch ist.«
Meson trat zuversichtlich einen Schritt vor. »Du kannst mich nicht hier festsetzen. Das weißt du. Was, bei den Wölfen, stimmt bloß nicht mit dir?«
Bailic winkte gleichgültig ab und nahm anmutig vor der Teekanne Platz. »Ist dir wohl nicht aufgefallen, als du hereinkamst, wie?«, sagte er und seufzte. »Ich habe sehr lange daran gearbeitet, die Resonanz zu verbergen, damit du sie nicht spürst. Talo-Toecans Türschwelle ist mit einem Bann belegt. Du kannst die Schwelle nur überschreiten, wenn ich es wünsche.« Er lehnte sich tief in die Kissen zurück und lächelte. »Und ich wünsche es nicht. Du, werter Bauer, hast dich selbst wirkungsvoller gefangen als eine Maus in einer deiner Kornfallen. Dir die Wahrheit zu entreißen wird ein Kinderspiel sein … Ja, es stimmt.« Bailic beugte sich vor und senkte die Stimme. »Einen so subtilen, starken Bann kann ich selbst nicht hervorbringen. Aber es ist doch recht einfach, nicht wahr, das Werk eines anderen zu eigenen Zwecken zu benutzen?« Bailic blickte auf, und seine Augen waren beinahe glasig vor Gier. »Wenn man erst einmal weiß, wie es geht?«
Meson holte zittrig Atem, denn er wusste mit hässlicher Sicherheit, was nun folgen würde. Der Wahrheitsbann der Festung würde ihn zwingen zu sprechen, und diesmal konnte er nicht einfach gehen, um dies zu vermeiden, so wie letztes Mal. Die Phrase »besorgniserregende Tendenz zur Paranoia« schoss ihm durch den Kopf – eine gedämpfte Bemerkung, hinter einer geschlossenen Tür erlauscht, als sie beide noch jünger gewesen waren. Talo-Toecan hatte die Sorgen der anderen Meister stets abgetan und rational zu erklären versucht, doch nun …
Mit aufgesetzter Leichtigkeit griff Bailic nach der Kanne, und die leisen, heimeligen Laute des Tee-Einschenkens erfüllten den Raum. »Sobald du fort warst, begann ich mit meiner Arbeit. Ein Wort hier, eine eingepflanzte Idee dort. Bald gingen die ersten Bewahrer. Diejenigen, die sich nicht beeinflussen ließen, verschwanden. Es war wirklich sehr verwunderlich«, sagte er leichthin und stellte überraschend sanft die Kanne wieder ab. »Niemand konnte sie finden. Unsere wohlwollenden Lehrer waren die Nächsten.« Er summte eine traurige kleine Melodie und nippte an seinem Becher. »Alle ruhen nun in einem nassen Grab, weil sie versuchten, eine Insel zu finden, die nur in deinen Gedanken existierte. Die umherziehenden Bewahrer kehrten einer nach dem anderen zurück, und einer nach dem anderen kam zu Tode. Es dauerte eine Weile, bis ich gelernt hatte, welche Banne leicht zu kontern sind und welche nicht. Ich bin inzwischen ziemlich gut darin.« Er seufzte wie über eine glückliche Erinnerung. »Du hast keine Chance.«
Ein heiseres Lachen entschlüpfte Bailics Lippen, und er unterdrückte es rasch. Er stellte seinen Becher ab und bedeutete Meson mit großer Geste, sich ihm gegenüber zu setzen. Er runzelte die Stirn, als Meson sich nicht rührte.
Meson spannte sich, seine Brauen zogen sich zusammen. »Ich werde den Bann auf der Schwelle sprengen«, drohte er.
Bailic lachte. »Versuch es nur«, flötete er. »Ich kann einen so starken Bann nicht entfernen. Es ist mir mit Mühe gelungen, ihn nach meinem Willen umzuformen. Und selbst wenn du es könntest – ich würde dir einfach nach Hause folgen. Welch großartige Idee«, sagte er und lächelte süßlich. »Das Wiedersehen mit deiner Familie wird gewiss rü-ü-ührend.«
Meson hätte vor Verzweiflung beinahe laut gestöhnt. Das Buch wäre dann in Sicherheit, aber seine Familie … Was bedeutete schon ein Buch? Nichts. Bailic zu entkommen wäre kein Sieg, sondern nur ein Aufschub der Niederlage.
»Dein geliebter Talo-Toecan«, sagte Bailic, »hat endlich aufgehört zu schmollen und ist zurückgekehrt.«
»Er ist am Leben!«, rief Meson.
»Ja, lebendig, aber ziemlich nutzlos.« Bailic erhob sich und trat an den Kamin. Seine Fingerspitzen trommelten gegeneinander, eine nervöse Angewohnheit, die Meson noch aus ihrer gemeinsamen Jugendzeit kannte. »Er ist … er kann nicht entkommen«, erklärte Bailic steif. »Ich habe ihn überlistet. Er kann nicht entkommen. Es ist unmöglich.«
Als er
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