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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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sich in anmutigen Schwüngen nach oben und wurde ganz schmal und rau am Fuß des Turms, in dem die Gemächer der Meister lagen. Es hieß, die Meister hätten kein Bedürfnis nach Ästhetik und Schönheit, wie Menschen es hatten, doch Meson wusste es besser. Sie fanden ihre Schönheit nur anderswo.
    Zu seiner Linken erstreckten sich die Tunnel, die zu den Anbauten führten. Dort waren die unterirdischen Lagerräume der Feste, in denen von Stiefelriemen bis hin zu Erdbeeren alles Mögliche aufbewahrt wurde, unter einem Bann ewiger Frische. Er hob den Blick zur Galerie im dritten Stock. Als Jungen hatten er und Bailic von dieser Balustrade aus Federn aus seinem Kissen herabfallen lassen, um auszuprobieren, wer von ihnen den schwebenden Flaum kontrollieren konnte. Bailic, so erinnerte sich Meson, hatte diesen kameradschaftlichen Wettbewerb immer viel zu ernst genommen und tagelang geschmollt, wenn er sich für den Verlierer hielt.
    Meson lehnte sich an die geschlossene Tür und tauschte seine Stiefel gegen die weichen Schuhe, die innerhalb dieser Mauern getragen wurden. Er wandte sich der Treppe zu und tapste auf leisen Sohlen zu dem kleinen Raum, den er und Bailic darunter gefunden hatten. Hier, inmitten von Spinnweben, legte er sein Bündel ab. Es enthielt nichts, was ihm jetzt helfen würde. Nun unbehindert, erklomm er die Treppe.
    Der achte Treppenabsatz war zugleich der Fuß des Turms, und hier blieb Meson vor der ersten von zwei Türen stehen. Sie war schlicht und schmucklos und öffnete sich lautlos unter seiner Berührung. Meson schlüpfte hinein und schloss die Tür hinter sich. Der hohe Raum wurde ganz von dem gewaltigen Balkon aus erhellt, der über dem Eingang zur Feste aus der Mauer ragte. Er hatte die Gemächer seines Lehrers als hell und luftig in Erinnerung. Nun wirkten sie schmuddelig, durchzogen vom beißenden Geruch verbrannten Metalls. Auf einem kleinen Tisch standen eine Teekanne und zwei Becher. Offenbar waren seine Bemühungen, unbemerkt zu bleiben, nicht so erfolgreich gewesen, wie er gehofft hatte.
    »Meson«, brach eine spöttische Stimme die Stille. »Welche Überraschung. Es ging das Gerücht, du seist unter die Bauern gegangen, um Rüben statt Flügel zu kultivieren.« Ein Schatten am anderen Ende des Raums regte sich. »Wie wir beide wissen, sind Flügel sehr schwer zu hegen. Sag es mir – sind Rüben einfacher?«
    Mesons Unbehagen erblühte zu kräftigem Widerwillen gegen die Verachtung in dieser kalten, glatten Stimme. »Bailic.« Er nickte knapp. »Wie kommt es, dass alle anderen fort sind und ich dich in Talo-Toecans Gemächern antreffe?«
    »Sagen wir einfach, er benötigt sie nicht länger. Aber die Aussicht ist bezaubernd, findest du nicht?« Bailic wies mit einer dünnen Hand auf den Balkon und wandte sich dann zu ihm um.
    Im traditionellen Gewand der Bewahrer, einem langen Kittel mit kurzer Weste und langer Hose, war er eine beeindruckende Erscheinung. Er wirkte kultiviert, noch nicht alt, aber dünn, mit den scharfen Zügen derjenigen, die jedes Frühjahr bitteren Hunger gelitten hatten. Er stammte zwar aus dem Tiefland, doch nur sein hoher Wuchs und seine hagere Gestalt wiesen darauf hin; seine Haut war ein blasser Hohn auf seine wahre Herkunft. Als Junge hatte er kurz geschorenes, fast durchsichtiges weißes Haar gehabt. Seither war es zu einem blassen Gelb nachgedunkelt. Auch seinen Augen mangelte es an Pigment, und sie waren so fahl, dass sie beinahe rosa wirkten.
    Es war diese Andersartigkeit gewesen, die Meson dazu bewogen hatte, den linkischen, halb verhungerten, schrecklich kurzsichtigen Tiefländer unter seine Fittiche zu nehmen, kurz nachdem Bailic in der Feste erschienen war. Meson hatte ihn wie den Bruder behandelt, den er nie gehabt hatte, und nachdem sie mittels eines blauen Auges und einer blutigen Nase zu einer Übereinstimmung gefunden hatten, waren sie so gut wie unzertrennlich geworden; sie hatten sich zusammengetan, um sich gegen die Streiche rivalisierender Schüler zu schützen. Doch große Freundschaft kann sich in ebenso große Feindschaft verwandeln. Und so erging es auch ihnen, aus dem ältesten Anlass der Welt: der Zuneigung einer jungen Frau.
    Bailic war mit dem Rücken zum Fenster stehen geblieben. Meson wusste, dass das helle Sonnenlicht ihm zu schaffen machte. Seine schwachen Augen sahen am besten, wenn ihm das Licht von hinten über die Schultern fiel. »Wie ich sehe, waren die Jahre recht gütig zu dir, alter Freund«, sagte Bailic. »Vielleicht

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