Alissa 2 - Die geheime Wahrheit
sie nicht.«
Lodesh lächelte in sich hinein, als Talo-Toecans Schultern herabsanken. Er entdeckte einen verdreht daliegenden Fuß, stemmte sich dagegen und spürte, wie er rot im Gesicht wurde. Mit einem leisen Plumps kippte der Fuß in seine neue, bequemere Lage. Er tätschelte Alissa beruhigend und lehnte sich an ihre Schulter, um wieder zu Atem zu kommen.
»Wir«, sagte Strell zornig, »nein, das war ich allein, ich habe versucht, sie zu zwingen, sich für die Feste zu entscheiden – und alles, was dazugehört.« Er blickte auf, und seine dunklen Augen glühten. »Sie hat sich daran erinnert, und sie hat sich geweigert zurückzukehren, weil ihr keine Wahl gelassen wurde. Davon habe ich sie befreit. Sie wäre eher gestorben.« Strell blickte sich auf der verwüsteten Lichtung um, und seine Miene spiegelte diese Zerstörung. »Und ich habe ihr das angetan«, flüsterte er.
Lodesh war mit Alissa fertig und kehrte zu den anderen zurück, wobei er seine Gewänder glatt strich. Es war nicht leicht gewesen, doch er hatte es geschafft, sie im Zuge dieser anstrengenden Angelegenheit nicht allzu sehr zu zerknittern. »Ihr habt das richtig erkannt, Strell. Nicht einmal ich habe das gesehen. Ich dachte, Ihr hättet uns und Alissa verraten.« Er nahm eine förmliche Haltung an und baute sich vor Strell auf. »Ich war im Unrecht«, verkündete er, »und ich bitte Euch um Verzeihung, Strell Hirdun.« Lodesh machte eine elegante Verbeugung, lächelte aber schelmisch, als er sich wieder aufrichtete.
»Äh … ja, natürlich«, stammelte Strell und steckte verlegen seine Flöte ein. »Sie wollte sich erinnern, weigerte sich aber so lange, bis sie selbst entscheiden durfte. Ich dachte, sie würde vielleicht eher zur Bewusstheit zurückkehren, wenn ich sie freigebe.« Er machte eine hilflose Geste. »Ich habe – wohl verloren.«
»Verloren!«, explodierte Talo-Toecan.
»Ihr habt nicht verloren.« Lodesh grinste und klopfte dem verwunderten Mann auf die Schulter. »Ihr habt gewonnen!«
Strell blieb der Mund offen stehen. Einen Moment lang drang kein Laut heraus. »Aber … sie ist ein Raku«, stieß er schließlich hervor. »Ich dachte …«
Talo-Toecan kicherte. »Ihr dachtet, sie würde ganz selbstverständlich wieder ihre ursprüngliche Gestalt annehmen?« Er betrachtete Alissa lächelnd und räusperte sich dann. »Nein, noch nicht, aber sie ist wieder Alissa. Sie hat dich mit ihrem letzten Schrei beim Namen gerufen. Sie ist zu uns zurückgekehrt, und das haben wir dir zu verdanken.«
Lodesh warf dem alten Raku mit gerunzelter Stirn einen Blick zu. Nun war er damit an der Reihe, sich zu entschuldigen, und unter Lodeshs wachsamem Auge würde Talo-Toecan das auch korrekt tun. Es galt gewisse Formen zu wahren, wenn jemand den Schüler eines anderen vor dem Verlust der Bewusstheit gerettet hatte. Der Meister schnitt eine Grimasse. Er räusperte sich, trat von einem Fuß auf den anderen und warf Lodesh einen finsteren Blick zu. »Deine Entscheidung, sie freizugeben«, begann Talo-Toecan, »war völlig richtig. Im Nachhinein erkenne ich selbst, dass es keine andere Möglichkeit gab, und ich bitte dich für meine harten Worte um Verzeihung.«
»Schon gut«, sagte Strell, der sich das stoppelige Gesicht rieb und offensichtlich ignorierte, wie schwer es dem Meister fiel, einen Irrtum zuzugeben. »Wer hätte denn wissen können, dass sie die freie Wahl brauchte, damit ihr Bewusstsein zurückkehren kann?«
»Ja, wer?«, entgegnete Talo-Toecan trocken. »Von so etwas habe ich noch nie gehört.«
Strells Miene wurde weich. »Und sie liebt mich.« Urplötzlich wurde er aschfahl, und er warf einen hastigen Blick auf Talo-Toecan, der ihn finster anstarrte. »Bei den Wölfen«, fluchte Strell. »Das wollte ich ihr eigentlich gar nicht sagen. Es ist mir einfach herausgerutscht! Ich weiß, dass ich nicht bleiben kann.«
»So ist es«, sagte Talo-Toecan. »Das kannst du nicht.«
»Talo-Toecan?«, mischte Lodesh sich ein. Er hielt seinen Gesichtsausdruck sorgsam unbeteiligt und hasste sich selbst dafür, dass er Strells Position auch noch stärken musste. »Er hat sie gehört.«
»Nur Bewahrer dürfen auf der Feste leben«, fuhr Talo-Toecan mit seiner Belehrung des unglücklichen Musikanten fort, der kläglich zu Boden starrte und sich offensichtlich nur zu bewusst war, wie schrecklich kompliziert er sein Leben mit diesen drei Worten gemacht hatte – so wahr sie auch sein mochten.
»Talo-Toecan, er hat sie gehört«, wiederholte
Weitere Kostenlose Bücher