Alissa 2 - Die geheime Wahrheit
»Jeder schafft es mindestens ein Mal, sich böse die Pfade zu verbrennen; vielleicht wirst du in Zukunft vorsichtiger sein.« Offensichtlich erschüttert, schien er sich nun wieder zu sammeln. »Also schön, wenn du nun deine Aufmerksamkeit wieder deinen … deinen Pfaden zuwenden würdest.« Alissa hörte, wie er tief durchatmete. »Ich habe den Pfad, mit dem der fragl i che Bann eingeleitet wird, in meinem eigenen Netzwerk aufgebaut. Siehst du, dass er in deinem eine Resonanz erzeugt?«
»Ja« , dachte sie. Ein einfaches, aber weitläufiges Muster begann schwach zu schimmern. Die blauschwarzen Linien trieben vor ihrem inneren Auge in den Vordergrund und verbreiteten ein gleichmäßiges, sanftes Leuchten. Die dünnen goldenen Fäden, die sich durch die Pfade zogen, schienen vor diesem Licht ein wenig zu verblassen.
» Wenn der Bann korrekt aufgebaut wurde, wird er dein neuronales Netzwerk binden und es aussehen lassen wie unbrauchbares Narbengewebe. Leite jetzt eine kleine Menge Energie aus deiner primären Schleife so um, dass sie die Pfade erfüllt, welche ich dir eben gezeigt habe.«
»So?« Alissa hielt alles, wie es war, und ließ ein schmales Band aus Kraft aus der ersten Schleife in die Pfade fließen, die eine Resonanz zeigten. Sogleich erwachten die goldenen Linien zum Leben und ließen das größere Muster wie von innen heraus leuchten. Sie spürte ein leises Zupfen. Es war ihr fremd, und sie widersetzte sich ihm.
»Nein, nicht so fest halten« , riet Nutzlos. »Du hast das ganz richtig gemacht. Lass mehr Energie fließen, und gestatte den beiden, sich gegenseitig anzuziehen.«
Alissa hatte keine Ahnung, was der letzte Teil bedeuten sollte, doch sie tat, was er vorgeschlagen hatte. »Oh!« , rief sie aus, als das Feld zusammenbrach, sich lose mit ihren Pfaden verband und ihre Vision der Zerstörung darüberlegte.
»Großartig« , lobte Nutzlos.
Sie rümpfte die Nase. Ihre Pfade sahen vernarbt und unbrauchbar aus. »Das ist abscheulich.«
»Großartig abscheulich, ganz großartig« , dachte er und kicherte. »Mit etwas Übung und Konzentration wird der Bann wirksam bleiben, nachdem du die Sequenz au f löst. Lass jetzt beides wieder los. Ich möchte sehen, wie du den Bann ohne meine Hilfe wieder aufbaust.«
»Also gut« , sagte sie und unterbrach beiläufig den Strom in der ersten Schleife. Ihre Pfade erschienen wieder in ihrer ursprünglichen, makellosen Eleganz, sobald der Bann fiel. Nutzlos verschwand augenblicklich aus ihren Gedanken. Verblüfft öffnete sie die Augen.
»Aufbauen! Wieder aufbauen!« Nutzlos wedelte mit den Armen, dass seine weiten Ärmel flatterten. Sie kannte ihn ja nicht besonders gut, aber sie hätte beinahe geglaubt, dass er besorgt aussah, nicht erfreut, wie sie erwartet hätte.
Alissa baute den Bann wieder auf und staunte selbst, wie einfach das ging. Es hatte länger gedauert, ihn zu erklären, als es nun dauerte, ihn zu wiederholen. Sie musterte ihr Werk und überlegte, was sie eben falsch gemacht haben könnte. »Nutzlos?«
»Ja?«, entgegnete er bekümmert. Seine Finger berührten beinahe die Flammen, als er im Feuer herumstocherte.
»Habe ich verabsäumt, die Energie in einem Zustand zu fixieren, der stabil genug ist, um den Übertritt in die Realität zu verhindern?« Sie bezog sich auf seine Worte über ihre Katastrophe, bei der sie die schützenden Fensterbanne gesprengt, die Feste bis in die Grundmauern erschüttert und sehr persönliche Bekanntschaft mit der Herrin des Todes geschlossen hatte.
»Vermutlich.« Er blickte auf, offenbar erstaunt über die Richtung, die ihre Gedanken genommen hatten.
Alissa griff nach der Teekanne und schenkte zwei kochend heiße Becher Tee ein. »Macht Ihr so Eure Becher und die Kanne?«, fragte sie und hielt ihm einen Becher hin.
»Ja. Das ist ein bedeutender Teil davon.« Diesmal klang er argwöhnisch. Er nahm seinen Becher und trank die Hälfte in einem Zug aus, ohne sich von der Temperatur stören zu lassen.
Alissa nickte, und ihr Blick verschwamm ein wenig, als sie nachsah, ob der Bann immer noch hielt. Er war noch da. »Bailic hat damit gedroht, mein Buch zu verbrennen. Hätte er dazu ein Feld darum geformt und ein bisschen Energie hineingeleitet, die nicht in einer bestimmten Form fixiert wurde?«
»Das ist nicht dein Buch; es gehört mir. Und das, was du gerade geschildert hast, könnte vielleicht funktionieren, aber nein, so würde er es nicht machen.«
Sie hielt den Becher vorsichtig und versuchte, sich die
Weitere Kostenlose Bücher