Alissa 2 - Die geheime Wahrheit
er, offenbar, um das Thema zu wechseln, »zeig mir, wie du die erste Sequenz aufbaust.«
Sie seufzte enttäuscht. Nutzlos mochte ihre Pfade als neuronales Netz bezeichnen und die erste Schleife als primäre Sequenz, doch wie man sie manipulierte, wusste Alissa bereits.
»Aber ich kann die primäre Sequenz doch schon aufbauen«, jammerte sie.
»Dann zeig mir, wie schnell du es kannst«, entgegnete er mit aufreizender Geduld.
Alissa trat mit den Hacken gegen die steinerne Bank der Feuerstelle. »Schneller«, sagte sie und dachte sehnsüchtig an ihr leeres Bett. Sie konnte vor sich selbst kaum rechtfertigen, dass sie es verlassen hatte, nur wegen etwas, das sie schon konnte. Zu lernen, wie sie Nutzlos’ Gedanken jederzeit erreichen konnte, wäre viel nützlicher als eine weitere Übung darin, wie sie diese primäre Schleife aufbaute. Mit halb leerem, halb konzentriertem Blick stocherte sie im Feuer herum. Vielleicht, dachte sie, könnte sie ein Spiel daraus machen. Beim nächsten lauten Knacken des Feuers würde sie loslegen.
Alissa machte es sich gemütlich und beruhigte ihre Gedanken mit drei langsamen Atemzügen. Das kleine Feuer brach in sich zusammen, sie hörte das typische Geräusch rutschender Kohlen, zuckte zusammen und leitete ihr Bewusstsein so schnell in ihre Quelle, wie es ihr noch nie gelungen war. Die erste überkreuzte Schleife schimmerte auf, noch ehe ihr Herz diesen Schlag beendet hatte. Sie lächelte. Ruhig zu bleiben half dabei gewaltig.
»Du spielst mit dem Feuer?«, bemerkte Nutzlos. Er hatte die Augenbrauen hochgezogen, und plötzlich kam ihr die Nacht nicht mehr so kalt vor, denn sie errötete. Kralle fing ihre Gefühle auf und zwickte sie schmerzhaft in die Schulter. »Dennoch«, fuhr er fort, »war das ganz hervorragend.« Er runzelte nachdenklich die Stirn. »Du hast meine Erlaubnis, das auch allein zu üben. Sieh zu, wie schnell du werden kannst, bis wir uns wieder treffen.«
Ein Grinsen breitete sich langsam über ihr Gesicht. Als Nutzlos es sah, kicherte er. »Ich vermute, es wäre eine gute Idee, dir noch ein paar weitere Übungen aufzutragen, damit du gar nicht dazu kommst, dich in Schwierigkeiten zu bringen.«
»Das wäre … wunderbar«, sagte sie und versuchte, nicht so schrecklich begierig zu klingen. Wenn er wüsste, wie aufregend sie das fand, könnte er es sich anders überlegen.
»Ich habe da schon etwas im Kopf«, fuhr er fort. »Es würde deine Fähigkeiten ausloten und deine Ausdauer stärken. Dieser Bann wird in einem so frühen Stadium der Ausbildung nicht empfohlen, doch wenn er richtig ausgeführt wird, bietet er dir einen gewissen Schutz vor Bailic.«
Alissas Herz schlug schneller. Ihr erster Bann. »Zeigt Ihr ihn mir?«
Er verzog das Gesicht, offensichtlich selbst nicht ganz überzeugt davon, ob seine Idee wirklich gut war. »Bailics voreilige Entscheidung, sich auf Strell als den latenten Bewahrer festzulegen, beruht zweifellos darauf, dass er die Zerstörung deines neuronalen Netzes gesehen hat, die durch die unsachgemäße Entfernung meines Banns eingetreten war«, erklärte er. »Es gibt auffällige Unterschiede in der Form und Anordnung der Pfade zwischen Bewahrern und Gemeinen, doch da Bailic selbst ein Bewahrer ist, kann er die Pfade eines anderen nur dann betrachten, wenn er dazu eingeladen wurde oder das Objekt dem Tode nahe ist, so wie du damals.«
Alissa unterdrückte ein Schaudern. Der Schmerz in ihrem Geist hatte sie so tief in ihr Unbewusstes fliehen lassen, dass sie niemals wieder hinausgefunden hätte, wenn Strell nicht gewesen wäre.
»Ich würde dir gern« – er runzelte die Stirn – »einen Bann geben, mit dem du eine Illusion von vernarbtem Gewebe über deine Pfade legen kannst. Wenn du diesen Zauber beherrschst, wird Bailic nie erkennen, dass du geheilt bist, selbst dann nicht, wenn du erneut durch starke Verletzungen in diesen tiefen Ohnmachtszustand fallen solltest.« Er wandte sich ihr zu, und seine goldenen Augen schienen im Feuerschein unheimlich zu glitzern. »Diesen Bann in deinen Gedanken festzuhalten würde deine Ausdauer stärken und deinen Feldern später mehr Haltbarkeit verleihen. Er ist schwierig, aber falls er deine Fähigkeiten übersteigt, würde dir das auch nicht schaden.« Er zögerte. »Möchtest du es versuchen?«
»Bei den Hunden, ja!«, rief sie aus und schlug die Augen nieder, als er lachte.
Mit einem letzten Blick in den von Sternen erfüllten Himmel zog Nutzlos die Beine unter sich. Im Schneidersitz auf der
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