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Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Titel: Alissa 2 - Die geheime Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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war er vom Turm aus schnurstracks in seine Töpferwerkstatt gegangen. Wenn er angeschürt hatte, war ihr Vogel zweifellos bei ihm geblieben, um die Wärme zu genießen.
    Genau da wollte Alissa jetzt auch sein, dachte sie und nahm die kupferne Teekanne in eine Hand und zwei Becher in die andere. Sie könnte ein ausgiebiges Bad in warmer Luft gut gebrauchen. Die Fensterbanne taten zwar gute Dienste darin, die Feste vor der Kälte zu schützen, doch warm, so richtig warm, war ihr schon lange nicht mehr gewesen.
    Ihr Lächeln wurde breiter, während sie den Speisesaal durchquerte. Er war nicht länger kahl und schmucklos. Strell hatte sich zwar bockig angestellt und ihr warnende Blicke unter finster zusammengezogenen Brauen zugeworfen, doch er hatte ihr trotzdem geholfen, zwei wunderschöne Sessel aus dem Lager heraufzuholen. Dazwischen stand nun ein kleiner Tisch, und ein Teppich schützte ihre Füße vor dem kalten Boden. Sie hätte gern noch mehr getan, hielt sich aber zurück. Wenn sie Strell zu sehr antrieb, würde er ihr vielleicht gar nicht mehr helfen – oder, schlimmer noch, Bailic könnte etwas bemerken.
    Der Klang ihrer Schritte kam ihr sehr laut vor, als sie die große Halle betrat. Sie zögerte und betrachtete stirnrunzelnd einen kleinen Gegenstand auf dem ansonsten makellos leeren Boden. Neugierig ging sie hin, um ihn sich anzusehen. »Eine Nuss?«, flüsterte sie. Sie verlagerte die beiden Becher in die Hand, die schon die Teekanne hielt, und bückte sich, um die Nuss aufzuheben. Als sie ein paar Schritte weiter noch eine entdeckte, steckte sie die erste in ihre Tasche und sammelte auch die zweite auf. Eine dritte lag am Eingang des Tunnels, der zu den verlassenen Stallungen führte. Die vierte fand sie an der Stelle, wo die Dunkelheit des unterirdischen Gangs das Licht aus der Halle verschluckte. Sie zog die Augenbrauen hoch, als sie eine weitere Nuss tiefer im Tunnel entdeckte.
    Ein leichtes Lächeln hob ihre Mundwinkel. Was hatte Strell diesmal ausgeheckt? Sie ließ die übrigen Nüsse liegen und folgte ihrer Spur. Es wurde dunkler, als der Tunnel in die lang verlassenen Ställe mündete. Statt Stein hatte sie nun Holz unter den Füßen, und der Geruch von längst verdorbenem Stroh vermischte sich mit dem Duft von Leder, in Pferdeschweiß getränkt. Sie mochte keine Pferde. Und obwohl es so aussah, als sei seit Jahrzehnten kein Pferd mehr hier unten gewesen, konnte sie das beängstigende Schnauben und das zornige Stampfen schwerer Hufe beinahe hören.
    Als sie gerade entschieden hatte, zurückzugehen und sich eine Kerze zu holen, machten ihre Augen, nun an die Dunkelheit gewöhnt, ein schwaches Licht aus. Sie ging auf Zehenspitzen weiter und fragte sich neugierig, wozu Strell sie hier heruntergelockt haben mochte. Ihre leichte Anspannung ließ nach, als sie ihren Vogel zwitschern hörte und das scharfe Knacken einer Nussschale. Der Lichtschein wurde klarer, als sie um eine Ecke bog und eine Stallgasse betrat. Aus einem der Verschlage drang ein beständiges weißes Licht, das auf dem dunklen Holz der Decke und der umgebenden Wände schimmerte. Eine schwache Resonanz hatte ihre Pfade leicht aufleuchten lassen und zeigte ihr damit, dass hier irgendein Bann am Werk war. Er sah entsetzlich kompliziert aus. Nutzlos? , fragte sie sich. Der Duft von Äpfeln und Kiefernnadeln drang ihr in die Nase. Sie erreichte den Stall und blieb überrascht stehen, als sie hineinschaute. »Lodesh?«
    Der Stadtvogt blickte so hastig auf, dass er beinahe von dem Strohballen fiel, auf dem er es sich gemütlich gemacht hatte. »Alissa!« Er sprang auf die Füße und wischte sich Nussschalen von der Hose. Seine grünen Augen waren weit aufgerissen, und er sah auf charmante Weise überrascht aus. Der glänzende Lichtschein kam von einer faustgroßen Kugel, die mitten in der Luft hing. Nutzlos hatte ihr nie gesagt, dass so etwas möglich war!
    Bevor sie etwas dazu sagen konnte, erlosch das Licht. Sie schnappte nach Luft und erstarrte, doch dann flackerte, begleitet von einem vertrauten Zupfen an ihrem Bewusstsein, eine kleine Flamme auf. Lodeshs Gesicht wurde nun plötzlich von Kerzenschein beleuchtet. Stumm entzündete er weitere Kerzen, bis der große Verschlag in warmes gelbes Licht getaucht war. »Ich, äh, hatte nicht erwartet, Euch hier zu sehen«, sagte er. »Bitte. Lasst mich Euch das abnehmen.«
    Er griff nach der schweren Teekanne und den Bechern und stellte sie auf eine Kiste, die mit einem feinen Tischtuch bedeckt war.

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