Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
hat mich angelächelt«, erzählte Bestie staunend. »Sie hat sich bedankt und dir etwas gegeben. Ich habe es in deinen Stiefel gesteckt, damit du es nicht vergisst und aus Versehen in seine Bestandteile zerlegst, wenn du dich das nächste Mal verwandelst.«
»Was ist es denn?«, fragte Alissa und erkannte nun, dass das Ding unter ihren Zehen kein Steinchen war, wie sie vermutet hatte. Sie begann ihren Stiefel aufzuschnüren, doch Lodesh kehrte zurück, und sie verschob es auf später.
»Ich weiß es nicht. Ein weißer Kieselstein?«
Lodesh trat mit erwartungsvollem Blick näher. »Hier, bitte sehr. Frisch gebrüht.«
Alissa nahm vorsichtig den dickwandigen Becher entgegen, trank einen Schluck und stellte ihn dann neben sich. Lodesh ließ sich mit einem zufriedenen Seufzen neben ihr niedersinken und räkelte sich genüsslich auf der Decke, ehe er sich mit einem verlegenen Brummen wieder aufrichtete und einen verstohlenen Blick auf Alissa warf, um zu prüfen, ob sie es bemerkt hatte.
»Aber warum hast du mit ihm getanzt?«, flüsterte Alissa in ihren Gedanken. Sie beobachtete Lodesh aufmerksam, doch er schien nichts davon zu hören.
»Ich war brav. Ich bin da geblieben, wo du mich allein gelassen hast. Aber Lodesh hat dich gefunden und gefragt, ob du tanzen möchtest. Ich wollte nicht laut sprechen. Wir klingen ganz verschieden.«
Lodesh wandte sich ihr zu. »Entschuldigung, Alissa. Habt Ihr etwas gesagt?«
»Nein.« Sie blickte zu der duftenden Wolke von Euthymienblüten an den Zweigen auf.
»Ich musste mitgehen«, flüsterte Bestie. »Ich konnte nichts anderes tun als nicken.«
»Du hättest auch den Kopf schütteln können.«
»Aber das wollte ich nicht.«
Alissa seufzte. Bestie war wirklich wie ein Kind.
Lodesh hörte sie seufzen und lehnte sich besorgt herüber. »Müde?«
»Nein, eigentlich nicht.«
Sein Blick fiel auf ihre Hände, die fest um ihren Knöchel geschlungen waren. »Tut Euer Fuß weh?«
Alissa lächelte schief und wackelte mit dem Fuß. »Nein. Es geht schon. Mit diesem Knöchel habe ich öfter Schwierigkeiten, seit ich ihn mir verrenkt habe, als ich in eine Schlucht gefallen bin.« Das erinnerte sie an Strell, und ihr Lächeln verflog.
»Ihr macht Witze«, sagte Lodesh und zog ungläubig die Augenbrauen hoch. »Ich habe Euch den ganzen Abend beobachtet. Alles erinnert Euch an Strell.« Er lehnte sich auf einen Ellbogen zurück. Seine Augen blitzten schalkhaft, doch sie sah ihm an, dass seine gespielte Betroffenheit durchaus ein Körnchen Wahrheit enthielt. »Die Musik, Sarken, die Euthymienbäume, das Feuer und nun Euer Knöchel.« Er ließ sich ins Moos zurücksinken. »Wie könnte ich dagegen antreten?«
Alissa lachte. Das war der Lodesh, den sie kannte, und sie klammerte sich an diese Erinnerung, als sei sie das einzig Wirkliche, was ihr geblieben war. Vielleicht stimmte das ja auch.
Er setzte sich wieder auf, und seine grünen Augen funkelten. »Ich bin fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass Ihr Euch heute Abend amüsiert!«, sagte er und tastete nach ihrer Hand. »Es muss doch irgendetwas geben, das Euch nicht an ihn erinnert.«
»Tanzen«, sagte Bestie sehnsüchtig und laut genug, um Lodeshs Gedanken zu erreichen.
»Tanzen?« Lodesh schnappte nach Luft.
Alissas Gesicht wurde eiskalt. »Halt den Mund!«, zischte sie in ihren Geist, doch es war zu spät.
»Strell tanzt also nicht?«, fragte er, doch es klang eher wie eine freudige Feststellung, und er sprang auf und blickte auf Alissa hinab. »Ich tanze gern! Habt Ihr Euch genug ausgeruht? Dann gehen wir!«
Mit hämmerndem Herzen dachte sie an seine Arme, die sie umschlangen und durch einen Tanz führten, viel näher, als er ihr sein sollte. »Ich, äh … Mein Fuß tut noch zu weh«, stammelte sie.
»Ihr habt gerade behauptet, er täte nicht mehr weh. Asche, Alissa. Ich glaube, sie hätten die Tanzfläche für uns geräumt, um uns zuzusehen, während wir diese letzte Runde allein fertig tanzen, wenn ich nicht einen falschen Schritt getan und Euch aus dem Rhythmus gebracht hätte.« Seine Begeisterung erlosch. »Ihr wollt nur nicht mehr mit mir tanzen«, sagte er verletzt.
»Aber natürlich will ich«, protestierte Alissa, die wusste, dass Lodesh nichts damit zu tun hatte, warum sie aus dem Rhythmus geraten war. »Es ist nur – da sind so viele Leute.«
»Das hat Euch vorhin auch nicht gestört.« Er hockte sich vor sie hin. »Ich glaube, Ihr habt Angst. Ihr fürchtet Euch davor, dass sie die Tanzfläche für uns
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