Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
Schurken.«
Hinter ihnen gesellten sich die dritten Partner zu den verbliebenen Paaren. Die Musik brandete auf und verstummte. Stille senkte sich über die Lichtung, die nach den donnernden Trommeln in Alissas Ohren schmerzte. Der Tanz war noch nicht vorbei. Eine einzelne Flöte hob klagend wieder an, als die Maid ihre Entscheidung traf. Das Ende der Geschichte war jedes Mal anders. Es lag allein bei den Tänzern, und die Zuschauer warteten in atemloser Spannung.
Der Mond war über den Bäumen aufgegangen. Als hätte sein Licht sie dazu getrieben, begannen die Euthymienblüten zu fallen. Wie das Licht selbst sanken sie sacht zu Boden. Ein gefühlvolles Seufzen drang aus allen Kehlen, als die Leute es bemerkten. Der berauschende Duft der Euthymien brach über sie herein.
Alissas Augen weiteten sich. Lodesh würde ihr gleich einen Antrag machen, und in diesem Augenblick war sie nicht sicher, ob sie es über sich bringen würde, nein zu sagen!
»Schülerin!«, drang Redal-Stans Gedanke erschreckend in ihren Geist. »Komm nach Hause. Sofort!«
»Ich … ich muss gehen«, hörte Alissa sich nuscheln, rührte sich aber nicht aus Lodeshs Umarmung fort.
Lodesh riss die Augen auf. »Wartet«, drängte er. »Es ist nicht so, wie Ihr denkt.«
»Sofort«, flüsterte nun Connen-Neute in ihrem Geist. » Wenn wir zu spät kommen, lassen sie uns nicht mehr am Quorum teilnehmen.«
»Lodesh«, protestierte Alissa sanft. »Ich muss gehen.«
»Alissa, wenn du nicht bei zwölf in der Luft bist, verlierst du dein Stimmrecht. Eins. Zwei. Drei.«
»Ich muss gehen«, wiederholte sie, doch sie konnte sich nicht von ihm lösen. Sie spürte, wie Connen-Neute hinter sie trat. Lodesh hielt sie noch fester umklammert, und sein Blick huschte über ihre Schulter hinweg.
»Ich weiß«, sagte er, offenkundig verstört vom plötzlichen Erscheinen des Meisters, aber entschlossen, sich nicht aufhalten zu lassen, »dass Ihr Euer Herz an einen anderen verloren habt. Ich kann nicht gegen ein Phantom antreten und hoffen, Euch zu gewinnen. Ihr müsst ihn selbst aus Eurem Herzen verbannen. Ich werde Euch heute Nacht um nichts bitten, aber, Alissa?« Sein Blick bohrte sich tief in ihren und rief eine erstaunlich hitzige Reaktion hervor. »Eines Tages werde ich es tun.«
Eine Blüte schwebte auf ihre Schulter herab, und er griff danach, legte sie ihr auf die Handfläche und schloss ihre tauben Finger um den duftigen, seidenen Schatz.
»Sieben. Acht.«
»Ich muss gehen, Lodesh«, sagte sie, doch er merkte offenbar nicht, wie ernst sie es meinte.
Connen-Neute trat näher, und Lodesh ließ sie los. Sein Blick jedoch nicht. Sie stolperte hinter dem Meister her, der sie hastig auf die offene Wiese zog. Ihr Blick hing noch immer an Lodesh, der allein im Schatten stand.
»Neun.«
Alissa wäre beinahe gestolpert, und der Blickkontakt riss ab. Sie rannte ins hohe Gras und suchte nach einer möglichst dunklen Stelle, um sich zu verwandeln. Connen-Neute nahm rasch seine natürliche Gestalt an, und seine Augen glitzerten ungeduldig.
»Zehn.«
»Wartet!«, rief sie, kämpfte verzweifelt mit Keribdis’ Stiefeln und versuchte, sie sich von den Füßen zu reißen.
»Elf.«
»Ich komme!« Sie verwandelte sich so schnell, wie sie es noch nie zuvor versucht hatte, schnappte sich die Stiefel und erhob sich mit einem Satz in die Luft.
»Zwölf. Hat sie es geschafft, Connen-Neute?«
»Gerade so.«
»Hrmpf«
Einer der Stiefel entglitt ihr. Mit einem dumpfen Geräusch landete er im feuchten Gras. Sie warf sich herum, um ihn zu suchen, und verfluchte ihre Ungeschicklichkeit.
»Lass ihn, Alissa«, sagte Connen-Neute. »Ich komme morgen wieder hierher und suche ihn.«
»Versprochen?«
»Versprochen.«
Gehorsam schwenkte Alissa erneut nach Westen. Stumm rasten sie durch die mondhelle Nacht zur Feste, während ihre atemlosen Gedanken noch bei Lodesh im Hain verweilten. »Bestie?«, flüsterte sie. »Fühlst du wirklich alles, was ich tue?«
»Alles«, sagte sie und klang so benommen, dass Alissa sich noch mehr Sorgen machte als zuvor.
– 28 –
C onnen-Neute und Alissa schossen auf die Feste zu. Sie saß wie ein schwerer Schatten unterhalb des Berggipfels. Die feuchte, besänftigende Nachtluft glitt wie Seide über ihre Haut, und im Licht des beinahe vollen Mondes schimmerten die Aufwinde unwirklich, wie bleiche Perlen. Bestie summte vor Freude, wieder in der Luft zu sein, doch Alissa war besorgt. Ihr wildes Bewusstsein hatte noch nie so viel
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